TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 27. Februar 2020

Woidboyz on the road“ – Per Anhalter durch Bayern.

„Servus, mir sans de Woidboyz. Da Basti, da Uli und i, da Andi“.
Den Satz, den man so oder so ähnlich immer an Anfang einer neuen Folge der „Woidboyz on the road“ hört. Ein Format, welches seit 2006 auf dem Bayerischen Rundfunk jeden Donnerstag von 23.45 Uhr bis 00.15 Uhr ausgestrahlt wird. Seit 2014 mit der aktuellen Moderation von Basti Kellermeier, Uli Nutz und Andi Weindl, alle drei zwischen 30 und 40 Jahren alt.
Ja, richtig gehört, ich schaue den Bayerischen Rundfunk. Wenn auch nicht oft, da sonst auf diesem Sender meistens eher Themen und Werte vermittelt werden, die ich nicht unbedingt vertrete: von dieser „gmiatlichen“, „zünftigen“ bayerischen Welt mit Bauernhof-Idylle und Schweinebraten in Sendungen wie „Unser Land“ oder „Landgasthäuser“, wo der Name bereits Programm ist. Doch jeden Donnerstag nach 23.00 Uhr verändert sich der Sender plötzlich in das hippe, coole Br Puls (wie er von den jungen Leuten wahrscheinlich gerne bezeichnet werden würde), und es laufen tatsächlich einige Formate, die mir durchaus zusagen.

Wie eben die Woidboyz: mit Basti, Uli und Andi durch kleine Ortschaften in Bayern reisen. Mal zu Fuß, mal mit dem Auto trampend und immer im Kontakt mit interessanten Menschen unterschiedlichen Alters, die ihre Geschichten mit den drei sympathischen Jungs teilen. Einen genauen Plan, wohin es sie als nächstes verschlägt, haben sie nicht. Sie lassen sich von ihrer Spontanität leiten und machen dort Halt, wo es so aussieht, als wäre etwas Spannendes zu erleben bzw. dort, wo der nächste Autofahrer, der sie mitnimmt, hinfährt. Durch ihre lockere, unaufdringliche Art, fällt es den meisten Menschen wahrscheinlich auch so leicht sich ihnen zu öffnen und Privates aus ihrem Leben zu erzählen. Sie haben keine Scheu davor, verschiedenste Charaktere einfach auf der Straße anzusprechen. Es kann also durchaus mal ein leichtes Fremdscham Gefühl beim Zuschauer, durch manchmal etwas zu direkte Fragen, aufkommen. Wer für so etwas anfällig ist, empfindet die Sendung teilweise womöglich als eher nervig und weniger unterhaltsam.
Was mir aber so gefällt ist, dass das Format den Zuschauer quasi am eigenen Schopfe packt und man sich immer wieder dabei ertappt, wie man über die gezeigten Personen Vorurteile hegt. Bei manchen denkt man sich, dass man diese Menschen niemals einfach so auf der Straße angesprochen hätte. Und dann entpuppen sich plötzlich total lustige, rührende oder einfach interessante Geschichten, die man so von diesen Leuten auf den ersten Blick nicht erwarten würde.
Zum Beispiel von Christian, der aus einem ganz anderen Zusammenhang heraus plötzlich von seiner 30-jährigen Meditationslaufbahn berichtet und sich daraufhin die Woidboyz spontan mit ihm am nächsten Morgen um 4 Uhr früh zum Meditieren treffen, da dies, laut Christian, die beste Uhrzeit dafür ist. Auf das Thema gekommen sind sie übrigens nach einer Diskussion über eine Reportage, die der Andi im Fernsehen gesehen hat. Diese handelte von Menschen, die denken, dass die Erde flach ist. Daraufhin spricht der Uli zufällig Christian auf der Straße an, und fragt ihn ob die Erde rund oder flach ist. Christian antwortet ganz abgebrüht: „rund und das weiß ich weil ich‘s gesehen hab“. Auf die Frage warum, erklärt er dann eben, dass man beim Meditieren außerkörperliche Erfahrungen macht und auf die Erde herunter blicken kann. Eines führt zum anderen und so schnell ist man um 4 Uhr morgens mit einem völlig Fremden zum Meditieren verabredet.
Weiter geht’s im Auto trampend mit Samira, die extra einen kleinen Umweg fährt und deswegen ihre erste Stunde Unterricht in der Erzieherschule verpasst. Kein Problem für sie und wieder eine gute Möglichkeit, um zum Beispiel über schlecht bezahlte Berufe oder alte Schulzeiten zu plaudern.
Angekommen am Zielort, treffen die drei zufällig auf den Bürgermeister von Dinkelsbühl, die Stadt in der sie sich nun befinden. Die perfekte Gelegenheit um ihn von ihrer neuesten Idee zu überzeugen. Nämlich einem eigenen Stein in der Dinkelsbühler Altstadt mit dem Woidboyz Logo darauf, wo sonst Namen von bekannten Persönlichkeiten aus der Umgebung stehen. Nach etwas Überredungskunst schaffen sie es den Bürgermeister Christoph zu überzeugen und tatsächlich kann man in der Altstadt von Dinkelsbühl demnächst einen Woidboyz Stein finden. Die Folge dazu wird dann bei der Einweihung des Steines gedreht.
Was alles von den genannten Ereignissen jetzt wirklich dem Zufall geschuldet und was arrangiert ist, davon kann sich jeder beim Anschauen der Sendung selber eine Meinung bilden. Was, nebenbei, nicht nur im Fernsehen sondern auch über die Website von Br Puls beziehungsweise direkt in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks möglich ist.
Die ausgewählten Ortschaften sind meistens eher klein und ruhig, aber auch oft schöner als der Name anmuten lässt, wodurch das Format sehr authentisch wirkt. Das liegt außerdem an dem überschaubaren Team, von den 3 Woidboyz, einem Ton- und einem Kameramann und einer Assistentin. Basti, Uli und Andi nehmen auch gerne selber mal die Kamera in die Hand und filmen dann eine Zeit lang mit, was ebenso einen sehr angenehmen Eindruck schafft. Vielleicht weil es eine gewisse Primitivität der Sendung vermittelt, die sie ganz sicher nicht besitzt, aber man hat dennoch das Gefühl, man unterstütze durch das Ansehen 3 junge arme „Burschen“, die sich mit einer Kamera und ein paar witzigen Geschichten von willkürlichen Personen ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Man fühlt sich so, als würde man die drei schon länger kennen und auf einer Augenhöhe mit ihnen stehen.
Hochaktuell ist das Format zudem, weil man sieht, dass in Zeiten, in denen Weltreisen und fremde Kulturen entdecken, Backpacking und all diese Ziele, die die meisten aus der jüngeren Generation auf ihrer Bucket List haben, zwar bestimmt auch tolle Erfahrungen sind. Aber es ist durchaus möglich in unserer nahen Umgebung, direkt vor unsere Haustüre und ohne viel Geld auszugeben, neue Leute kennenzulernen, Erfahrungen zu sammeln und schöne Landschaften und Gegenden zu entdecken, an denen man noch nie zuvor war. Und das Ganze auch noch ohne Handy oder Navi, einfach drauf los, hinein ins Unbekannte!
Dieses Abtauchen, ermöglicht uns der Br allerdings leider erst donnerstags ab 23.00 Uhr. Vermutlich weil er denkt, dass jüngere Menschen, wenn sie überhaupt noch fernsehen, dann erst ganz spät abends den Fernseher einschalten. Doch hier haben wir uns dann meistens schon für Netflix entschieden. Also lieber Br, solche Sendungen gerne auch schon früher, auch wenn ihr denkt, alles vor Mitternacht sei nicht hip genug.
Also Danke Puls für dieses „junge Programm des Bayerischen Rundfunks“, wie sie sich selbst bezeichnen, und dieses entspannte, lockere und abenteuerlustige Gefühl mit dem ich nun ins Bett gehen kann. Aber Moment, nach den Woidboyz folgt ja noch die Sendung „Startrampe“ von Puls, wo jede Woche eine andere Newcomer-Band portraitiert wird und heute ist es AnnenMayKantereit, und ich kann tatsächlich doch noch nicht ausschalten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen