„Du musst unbedingt Haus des
Geldes anschauen!“, „Das ist die beste Serie die ich seit langem gesehen habe.“
Solche und viele weitere Empfehlungen habe ich über lange Zeit hinweg für die
Netflix Serie Haus des Geldes bekommen. Trotzdem weigerte ich mich lange, der
Serie eine Chance zu geben. Ich dachte lange, sie wäre nur eine weitere
Trendserie a la Breaking Bad, wie man sie zu genüge finden kann. Aber da war
ich ganz schön schief gewickelt.
Die ersten beiden Staffeln
haben mich zum Fan gemacht. Nach einer langen Diskussion mit einem meiner
besten Freunde ließ ich mich nämlich doch dazu breit schlagen, der Serie eine
Chance zu geben, als angenehmer Grund, mich vom lernen für die Klausuren zu
drücken. Und eigentlich war ich zu beginn skeptisch. Ich dachte es wäre ähnlich
wie bei Prison Break, es gibt einen Plan, der wird bis zum Ende der Staffel
vorbereitet, um dann kurz vor knapp noch verschoben zu werden und das ganze
wird über mehrere Staffeln wiederholt. Doch da hat mich Haus des Geldes
gefangen, denn nicht nur ist der Plan in dieser Serie genial und es macht einfach
nur Spaß, ihn bei seinem Entfalten zu beobachten, es geht auch von der ersten Folge ab
direkt los. Von da ab habe ich die Serie in Rekordgeschwindigkeit durchgeschaut
und bin wie oben erwähnt direkt Fan geworden. Deswegen musste ich mir dann doch
die Frage stellen: Was macht Haus des Geldes anders? Was ist hier das
Besondere? Deswegen hier mein Versuch einen Schritt zurückzugehen und einen
kritischen (spoilerfreien) Blick auf den Masterplan des Professors zu werfen.
Dafür nun erstmal ein Kontext
für diejenigen, die die Serie noch nicht kennen. La casa de papel, wie es im
spanischen Original heißt, ist eine Heist Serie. Das heißt sie dreht sich um
einen Banküberfall, bzw. eine Geiselnahme, hier um einen Überfall auf die
spanische Banknotendruckerei. Dazu hat der Professor, der „Mastermind“ der
Serie, einen extrem detaillierten Plan ausgefeilt und sich ein Team von
Verbrechern und Menschen, die nichts zu verlieren haben, zusammengestellt um den
Plan auszuführen.
Was hält jetzt den Zuschauer
bei der Serie? Was macht sie gut? Als erstes muss man hier die Charaktere
nennen, oder noch banaler, ihre Namen. Denn wer Game of Thrones oder ähnliches
einmal geschaut hat, ist bestimmt mehr als einmal mit den unzähligen Namen durcheinander
gekommen, die man sich merken muss, um bei den Dialogen irgendeinen Sinn
herauszuhören. Haus des Geldes hat das Genial gelöst. Jeder der Hauptcharaktere
hat den Namen einer Hauptstadt, wie Berlin, Oslo oder Tokio, bis auf den
Professor, welcher naja einfach der Professor genannt wird. Es wird dem
Zuschauer sogar so einfach gemacht, dass eine Regel der Bande ist „keine echten
Namen“ zu haben, wodurch dieser nicht einmal auf die Idee kommen könnte, die Anstrengung
zu machen, sich die Namen zu merken. Und das geniale dabei ist, dass diese
Namenserleichterung im Kontext einer Räuberbande zusätzlich noch sehr
authentisch wirkt. Außerdem wird dadurch fleißigen Interpretierern nahegelegt,
nach Verbindungen zwischen den Charakteren und den Kulturen ihrer Namensgebenden
Städten zu suchen: Tokio als ausgeflippt und sprunghaft oder Moskau als alter
Handwerker.
Der nächste Punkt ist der Plan
des Professors und welche Rolle dabei die einzelnen Charaktere spielen. Denn
das interessanteste an der Serie war für mich persönlich dieses Geflecht des
Professors sich Stück für Stück entfalten sehen. Denn der Zuschauer weiß zu Beginn
eigentlich bloß, dass es einen perfekten Masterplan gibt, doch nicht wie dieser
Aussieht. Nach und nach erkennt man dann, die einzelnen Hindernisse die der Bande
auf den Weg gelegt werden und wie der Professor sie schon meilenweit
vorausgesehen hat. Es wirkt, als wäre jedes kleinste Detail durchdacht und der
Plan unschlagbar.
Aber das wäre ja langweilig,
denn keiner will auf Dauer eine Serie sehen, bei der dauerhaft einfach nur
gezeigt wird, dass alles genauso verläuft, wie es den Protagonisten in den Kram
passt. Deshalb kommen hier die einzelnen Charaktere ins Spiel. Denn wie man
nach ein paar Folgen merkt, ist das einzige, was dem Erfolg wirklich im Weg steht
nicht, was die Polizei versucht, um unsere „Helden“ aufzuhalten, sondern wie
sehr sich jeder Charakter weigert, den Plan des Professors korrekt auszuführen.
Das führt sogar teilweise dazu, dass man sich als Zuschauer fast aufregt, wie
sehr man etwas vergeigen kann. Doch genau das ist es, was einen davon abhält,
Netflix nach den Folgen endlich einmal wegzudrücken. Was fällt ihnen ein, um
wieder zurück auf die richtige Route zu kommen. Außerdem werden dadurch die
Charaktere wirklich entwickelt. Es wird immer erklärt, warum sie so handeln, wie
sie es tun, wodurch man tatsächlich oft nachvollziehen kann, warum sie alles
gefährden, ich für meinen Teil es ihnen aber nicht verzeihen kann. Und genau
das ist es wohl auch, was bezweckt wird. Man will die nächste Folge immer sehen,
um eine Entschuldigung dafür zu hören, warum der Plan in Gefahr gebracht wird.
Die Serie bindet den Zuschauer dadurch Emotional ein.
Aber zurück zur Charakter
Entwicklung. Persönlich finde ich hat die Serie wirklich sympathische und
glaubhafte Protagonisten. Interessanterweise empfinde ich dabei den Professor
als am wenigsten glaubhaft, obwohl er gleichzeitig mein Liebling ist, einfach
weil seine Genialität nicht wirklich erklärt wird, man muss sie ihm einfach
abkaufen. Die Charaktere werden nach und nach vor allem durch Rückblicke
erklärt. Dabei muss ich als jemand, der Rückblicke hasst sagen, dass diese
angenehm kurzgehalten sind. Kein einziger hat mich jemals wirklich gestört.
Außerdem steckt in den meisten Charakteren mehr als man zunächst erwartet, was
mich oft positiv überrascht hat.
Doch bei allem was ich an Haus
des Geldes gut finde hat die Serie doch auch ihre Fehler. Einer davon ist, dass
die Protagonisten einem im Verlauf der Serie immer unsympathischer werden.
Und zwar aus dem oben genannten Grund: Um die Serie spannend zu machen, sind sie
es, die den Plan kaputt machen. Mehr um mehr hat mich das einfach an manchen
von ihnen genervt und umso weniger Lust hat man dann auch, einzelne von ihnen
zu sehen. Damit gehen sie allerdings noch ziemlich gut um, indem den meisten
Fällen irgendwas passiert, womit das wieder gut gemacht wird oder der Übeltäter
eine Bestrafung erhält.
Der zweite Kritikpunkt ist da
etwas schlimmer: Die Cliffhanger. Eigentlich sind Cliffhanger ja was sehr Gutes
um Spannung zu erhalten und zumindest in der ersten Staffel sind die
Cliffhanger in der Serie so gut, dass ich einfach nicht wegschalten konnte. Aber im
Verlauf der Serie erinnern sie oft an eine schlechte Seifenoper, so absurd
werden sie zum Teil. Unglaubwürdige Romanzen werden plötzlich erzeugt,
Familienbeziehungen werden aus dem nichts plötzlich aufgestellt oder manche
sind einfach so Lustlos, dass sie einfach wirken, als wären sie da mit Gewalt platziert worden, um irgendwie ein spannendes Ende der Folge zu haben, obwohl jedem
Zuschauer bewusst ist, wie sich die Situation auflöst. Zusätzlich wird oft eine
Melodramatik eingesetzt, die ich sonst bei Serien wie Unter uns oder ähnlichem
erwartet hätte. Nach dem Motto: Liebe ist stärker als alles andere, kommen
Situationen zustande, die in dem Kontext dieser Serie, die unter der puren Logik
des Plans des Professors steht, einfach etwas unglaubwürdig wirken.
Über diese beiden Punkte sieht
man allerdings gerne hinweg, ganz einfach deshalb, weil die meisten Cliffhanger
eigentlich noch gut sind und die Charaktere wie gesagt eigentlich sehr gut
gelungen sind. Doch eine Sache hat mich an Haus des Geldes wirklich gestört. Es
wird ständig mit Gewalt versucht das Thema Gender und Sexualität in die
Handlung mit einzubauen. Wäre das gut ausgeführt könnte ich auch tatsächlich
einen Platz dafür in der Serie sehen, doch es ist wirklich miserabel in die
Handlungsstränge eingebaut. An allen möglichen und unmöglichen Stellen werden
die Thematiken plötzlich auf unangenehmste Weise angesprochen. Und selbst das
könnte ich noch verstehen, weil die Macher vielleicht einfach eine moderne und
wichtige Problematik ansprechen wollten, wenn es zumindest eine kleine
Auswirkung auf die Handlung hätte. Aber jedes Mal, wenn das Thema eine Rolle
spielt, hat es eigentlich überhaupt keinen Sinn, außer dass jetzt eine
Räuberbande aus den unsinnigsten Gründen eine Diskussion über Mann und Frau
führt. In den wenigen Malen, wenn es dann eine Rolle spielt, wird der Einfluss
den es auf die Handlung hatte, innerhalb einer Folge sofort wieder revidiert
oder einfach wieder auf die typischen, komplett unkritischen Muster zurückgeführt,
die man aus jeder Romantischen Komödie kennt: Frauen handeln Emotional und
Männer aus Pseudologik.
Abschließend will ich aber
dann doch nochmal betonen: Haus des Geldes hat mich zum Fan gemacht. Denn auch
wenn ich den letzten Kritikpunkt als einen wirklich schlimmen Makel der Serie
empfinde, finde ich sie insgesamt wirklich gut gelungen. Immerhin ist
letztendlich ja bekanntlich nichts perfekt. Aber Haus des Geldes schafft es
wirklich oft den Zuschauer zu überraschen und ihm einfach einen „Wow“-Moment zu
verschaffen, weil am Ende die noch wirklich auswegloseste Situation irgendwie
gedreht wird. Außerdem bleibt sie auch zwischen den nicht so gelungenen Cliffhangern
einfach wirklich spannend und verführt einen förmlich zum Binge-watchen.
Insgesamt kann ich La casa de
papel wärmstens empfehlen. Sie ist ein sehr interessanter Zeitvertreib und regt
zum Mitdenken und Mitfiebern an. Und auch wenn die Genderkritik wirklich
absolut nicht gelungen ist, denkt man sich zumindest etwas in das Thema hinein
was ja schonmal etwas ist. Und als leichter politischer Anstoßpunkt wird
zumindest Kapitalismus kritisch angegangen, was auch interessant sein kann. Außerdem kann
man sich mit der neuen dritten und einer angekündigten vierten Staffel auf
jeden Fall noch auf einiges freuen.
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