TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 27. Februar 2020

Der Masterplan des Professors Ein kritischer Blick auf die Serie „Haus des Geldes“

„Du musst unbedingt Haus des Geldes anschauen!“, „Das ist die beste Serie die ich seit langem gesehen habe.“ Solche und viele weitere Empfehlungen habe ich über lange Zeit hinweg für die Netflix Serie Haus des Geldes bekommen. Trotzdem weigerte ich mich lange, der Serie eine Chance zu geben. Ich dachte lange, sie wäre nur eine weitere Trendserie a la Breaking Bad, wie man sie zu genüge finden kann. Aber da war ich ganz schön schief gewickelt.
Die ersten beiden Staffeln haben mich zum Fan gemacht. Nach einer langen Diskussion mit einem meiner besten Freunde ließ ich mich nämlich doch dazu breit schlagen, der Serie eine Chance zu geben, als angenehmer Grund, mich vom lernen für die Klausuren zu drücken. Und eigentlich war ich zu beginn skeptisch. Ich dachte es wäre ähnlich wie bei Prison Break, es gibt einen Plan, der wird bis zum Ende der Staffel vorbereitet, um dann kurz vor knapp noch verschoben zu werden und das ganze wird über mehrere Staffeln wiederholt. Doch da hat mich Haus des Geldes gefangen, denn nicht nur ist der Plan in dieser Serie genial und es macht einfach nur Spaß, ihn bei seinem Entfalten zu beobachten, es geht auch von der ersten Folge ab direkt los. Von da ab habe ich die Serie in Rekordgeschwindigkeit durchgeschaut und bin wie oben erwähnt direkt Fan geworden. Deswegen musste ich mir dann doch die Frage stellen: Was macht Haus des Geldes anders? Was ist hier das Besondere? Deswegen hier mein Versuch einen Schritt zurückzugehen und einen kritischen (spoilerfreien) Blick auf den Masterplan des Professors zu werfen.
Dafür nun erstmal ein Kontext für diejenigen, die die Serie noch nicht kennen. La casa de papel, wie es im spanischen Original heißt, ist eine Heist Serie. Das heißt sie dreht sich um einen Banküberfall, bzw. eine Geiselnahme, hier um einen Überfall auf die spanische Banknotendruckerei. Dazu hat der Professor, der „Mastermind“ der Serie, einen extrem detaillierten Plan ausgefeilt und sich ein Team von Verbrechern und Menschen, die nichts zu verlieren haben, zusammengestellt um den Plan auszuführen.
Was hält jetzt den Zuschauer bei der Serie? Was macht sie gut? Als erstes muss man hier die Charaktere nennen, oder noch banaler, ihre Namen. Denn wer Game of Thrones oder ähnliches einmal geschaut hat, ist bestimmt mehr als einmal mit den unzähligen Namen durcheinander gekommen, die man sich merken muss, um bei den Dialogen irgendeinen Sinn herauszuhören. Haus des Geldes hat das Genial gelöst. Jeder der Hauptcharaktere hat den Namen einer Hauptstadt, wie Berlin, Oslo oder Tokio, bis auf den Professor, welcher naja einfach der Professor genannt wird. Es wird dem Zuschauer sogar so einfach gemacht, dass eine Regel der Bande ist „keine echten Namen“ zu haben, wodurch dieser nicht einmal auf die Idee kommen könnte, die Anstrengung zu machen, sich die Namen zu merken. Und das geniale dabei ist, dass diese Namenserleichterung im Kontext einer Räuberbande zusätzlich noch sehr authentisch wirkt. Außerdem wird dadurch fleißigen Interpretierern nahegelegt, nach Verbindungen zwischen den Charakteren und den Kulturen ihrer Namensgebenden Städten zu suchen: Tokio als ausgeflippt und sprunghaft oder Moskau als alter Handwerker.
Der nächste Punkt ist der Plan des Professors und welche Rolle dabei die einzelnen Charaktere spielen. Denn das interessanteste an der Serie war für mich persönlich dieses Geflecht des Professors sich Stück für Stück entfalten sehen. Denn der Zuschauer weiß zu Beginn eigentlich bloß, dass es einen perfekten Masterplan gibt, doch nicht wie dieser Aussieht. Nach und nach erkennt man dann, die einzelnen Hindernisse die der Bande auf den Weg gelegt werden und wie der Professor sie schon meilenweit vorausgesehen hat. Es wirkt, als wäre jedes kleinste Detail durchdacht und der Plan unschlagbar.
Aber das wäre ja langweilig, denn keiner will auf Dauer eine Serie sehen, bei der dauerhaft einfach nur gezeigt wird, dass alles genauso verläuft, wie es den Protagonisten in den Kram passt. Deshalb kommen hier die einzelnen Charaktere ins Spiel. Denn wie man nach ein paar Folgen merkt, ist das einzige, was dem Erfolg wirklich im Weg steht nicht, was die Polizei versucht, um unsere „Helden“ aufzuhalten, sondern wie sehr sich jeder Charakter weigert, den Plan des Professors korrekt auszuführen. Das führt sogar teilweise dazu, dass man sich als Zuschauer fast aufregt, wie sehr man etwas vergeigen kann. Doch genau das ist es, was einen davon abhält, Netflix nach den Folgen endlich einmal wegzudrücken. Was fällt ihnen ein, um wieder zurück auf die richtige Route zu kommen. Außerdem werden dadurch die Charaktere wirklich entwickelt. Es wird immer erklärt, warum sie so handeln, wie sie es tun, wodurch man tatsächlich oft nachvollziehen kann, warum sie alles gefährden, ich für meinen Teil es ihnen aber nicht verzeihen kann. Und genau das ist es wohl auch, was bezweckt wird. Man will die nächste Folge immer sehen, um eine Entschuldigung dafür zu hören, warum der Plan in Gefahr gebracht wird. Die Serie bindet den Zuschauer dadurch Emotional ein.
Aber zurück zur Charakter Entwicklung. Persönlich finde ich hat die Serie wirklich sympathische und glaubhafte Protagonisten. Interessanterweise empfinde ich dabei den Professor als am wenigsten glaubhaft, obwohl er gleichzeitig mein Liebling ist, einfach weil seine Genialität nicht wirklich erklärt wird, man muss sie ihm einfach abkaufen. Die Charaktere werden nach und nach vor allem durch Rückblicke erklärt. Dabei muss ich als jemand, der Rückblicke hasst sagen, dass diese angenehm kurzgehalten sind. Kein einziger hat mich jemals wirklich gestört. Außerdem steckt in den meisten Charakteren mehr als man zunächst erwartet, was mich oft positiv überrascht hat.
Doch bei allem was ich an Haus des Geldes gut finde hat die Serie doch auch ihre Fehler. Einer davon ist, dass die Protagonisten einem im Verlauf der Serie immer unsympathischer werden. Und zwar aus dem oben genannten Grund: Um die Serie spannend zu machen, sind sie es, die den Plan kaputt machen. Mehr um mehr hat mich das einfach an manchen von ihnen genervt und umso weniger Lust hat man dann auch, einzelne von ihnen zu sehen. Damit gehen sie allerdings noch ziemlich gut um, indem den meisten Fällen irgendwas passiert, womit das wieder gut gemacht wird oder der Übeltäter eine Bestrafung erhält.
Der zweite Kritikpunkt ist da etwas schlimmer: Die Cliffhanger. Eigentlich sind Cliffhanger ja was sehr Gutes um Spannung zu erhalten und zumindest in der ersten Staffel sind die Cliffhanger in der Serie so gut, dass ich einfach nicht wegschalten konnte. Aber im Verlauf der Serie erinnern sie oft an eine schlechte Seifenoper, so absurd werden sie zum Teil. Unglaubwürdige Romanzen werden plötzlich erzeugt, Familienbeziehungen werden aus dem nichts plötzlich aufgestellt oder manche sind einfach so Lustlos, dass sie einfach wirken, als wären sie da mit Gewalt platziert worden, um irgendwie ein spannendes Ende der Folge zu haben, obwohl jedem Zuschauer bewusst ist, wie sich die Situation auflöst. Zusätzlich wird oft eine Melodramatik eingesetzt, die ich sonst bei Serien wie Unter uns oder ähnlichem erwartet hätte. Nach dem Motto: Liebe ist stärker als alles andere, kommen Situationen zustande, die in dem Kontext dieser Serie, die unter der puren Logik des Plans des Professors steht, einfach etwas unglaubwürdig wirken.
Über diese beiden Punkte sieht man allerdings gerne hinweg, ganz einfach deshalb, weil die meisten Cliffhanger eigentlich noch gut sind und die Charaktere wie gesagt eigentlich sehr gut gelungen sind. Doch eine Sache hat mich an Haus des Geldes wirklich gestört. Es wird ständig mit Gewalt versucht das Thema Gender und Sexualität in die Handlung mit einzubauen. Wäre das gut ausgeführt könnte ich auch tatsächlich einen Platz dafür in der Serie sehen, doch es ist wirklich miserabel in die Handlungsstränge eingebaut. An allen möglichen und unmöglichen Stellen werden die Thematiken plötzlich auf unangenehmste Weise angesprochen. Und selbst das könnte ich noch verstehen, weil die Macher vielleicht einfach eine moderne und wichtige Problematik ansprechen wollten, wenn es zumindest eine kleine Auswirkung auf die Handlung hätte. Aber jedes Mal, wenn das Thema eine Rolle spielt, hat es eigentlich überhaupt keinen Sinn, außer dass jetzt eine Räuberbande aus den unsinnigsten Gründen eine Diskussion über Mann und Frau führt. In den wenigen Malen, wenn es dann eine Rolle spielt, wird der Einfluss den es auf die Handlung hatte, innerhalb einer Folge sofort wieder revidiert oder einfach wieder auf die typischen, komplett unkritischen Muster zurückgeführt, die man aus jeder Romantischen Komödie kennt: Frauen handeln Emotional und Männer aus Pseudologik.
Abschließend will ich aber dann doch nochmal betonen: Haus des Geldes hat mich zum Fan gemacht. Denn auch wenn ich den letzten Kritikpunkt als einen wirklich schlimmen Makel der Serie empfinde, finde ich sie insgesamt wirklich gut gelungen. Immerhin ist letztendlich ja bekanntlich nichts perfekt. Aber Haus des Geldes schafft es wirklich oft den Zuschauer zu überraschen und ihm einfach einen „Wow“-Moment zu verschaffen, weil am Ende die noch wirklich auswegloseste Situation irgendwie gedreht wird. Außerdem bleibt sie auch zwischen den nicht so gelungenen Cliffhangern einfach wirklich spannend und verführt einen förmlich zum Binge-watchen.
Insgesamt kann ich La casa de papel wärmstens empfehlen. Sie ist ein sehr interessanter Zeitvertreib und regt zum Mitdenken und Mitfiebern an. Und auch wenn die Genderkritik wirklich absolut nicht gelungen ist, denkt man sich zumindest etwas in das Thema hinein was ja schonmal etwas ist. Und als leichter politischer Anstoßpunkt wird zumindest Kapitalismus kritisch angegangen, was auch interessant sein kann. Außerdem kann man sich mit der neuen dritten und einer angekündigten vierten Staffel auf jeden Fall noch auf einiges freuen.

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