TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 27. Februar 2020

Funk - Das neue Fernsehen?

von Janik Schöbel
Letzte Woche ist mir etwas skurriles passiert. Mir war langweilig und ich habe um 20:00 Uhr den Fernseher eingeschaltet. Für gewöhnlich würde ich jetzt ohne zu zögern Netflix öffnen und eine meiner 10 offenen Serien weiterschauen, doch ich hab auf meinen Receiver gewechselt und es lief „Joko & Klaas gegen Prosieben“. Ich dachte ich geb dem ganzen eine Chance und schaute es mir an. Dann, nach 10 Minuten, war das erste Spiel vorbei und es ging in die Werbung. Die erste Minute war ganz ok, doch nach der hundertsten Hotel - Vergleichsportal Werbung wurde es dann anstrengend. Also hab ich kurzer Hand wieder auf Netflix gewechselt und alles war beim alten. Ich würde meine Bequemlichkeit nicht unbedingt als Problem betrachten, aber Fakt ist, dass sich die junge Generation immer mehr vom einfachen „Old-School“ Fernsehen distanziert. Stattdessen wird der Laptop aufgeklappt, Netflix im Browser geöffnet und es liegt einem die ganze Film- und Serienwelt zu Füßen. Und wenn mal was spannendes im Fernsehen läuft, dann ist es kurze Zeit später entweder in der Mediathek oder auf YouTube verfügbar. Sogar Instagram steigt jetzt mit „IGTV“, welches zulässt Videos länger als 60 Sekunden hochzuladen, ins Video-Streaming Game ein.
Für Fernsehsender wird es deshalb immer schwieriger an die junge Generation heranzukommen und deren Aufmerksamkeit zu erlangen. Eine meiner Meinung nach gelungene Lösung haben die öffentlich-rechtlichen Sender (ARD & ZDF) gefunden. Sie haben sich das Streaming-„Problem“ zu Nutze gemacht und das Content Netzwerk „Funk“ ins Leben gerufen. Funk bietet ein Medienangebot, das auf allen erdenklichen Plattformen wie YouTube, Facebook, Instagram, Spotify, etc. erreichbar ist und sogar eine Netflix-ähnliche Webseite hat, wo alle Videos abrufbar sind. Laut eigenen Angaben ist Funk für Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren bestimmt. Um zu versuchen, dieses breite Spektrum an unterschiedlichen Interessen zu decken verfügt es über 70 verschiedene Formate wie Reportagen, Erklär-Videos, Serien und Comedy-Shows.
Da währe zum einen das Y-Kollektiv mit ihren ca. 30-minütigen Reportagen wie „Münchens Drogen Katakomben“, in der die dunklen Seiten der Großstadt ans Licht kommen. Oder „Gekaufte Klicks. Kauf dich in die Charts“, die die ganze Musik-Streaming-Industrie auf den Kopf gestellt hat. Mit Fakten und Tatsachen will das Y-Kollektiv zu Diskussionen anregen und über Themen aufklären, bei denen man normalerweise eher wegschaut. Das ganze ist, wie der Name schon sagt, ein Kollektiv aus Journalisten und somit sieht man immer wieder andere Gesichter vor der Kamera. Dann gibt es noch das Format „Lesch und Co“. Hier versuchen uns Harald Lesch, Mai-Thi Nguyen-Kim und Philip Häusser, die Welt der Wissenschaft schmackhaft zu machen. Themen wie Relativitätstheorie, Brennstoffzellen und künstliche Intelligenz sollen unseren Wissenshorizont erweitern. Wer hingegen lieber chaotische, DMAX ähnliche Unterhaltung will, sollte sich das „Kliemannsland“ ansehen. Auf einem abgelegenen Bauernhof im Norden haben sich Fynn Kliemann und Co. ein eigenes kleines Dorf errichtet, in dem täglich allerlei Dinge gebaut getestet, und zerstört werden.
Auch Serien wie die Fiction-Produktionen „Wishlist“, in der eine App entwickelt wurde die Wünsche erfüllt oder „DRUCK“, in der es um Freundschaft, Liebe, und Intrigen geht, bietet Funk an. Zwar sind diese noch lange nicht mit den großen Serienproduktionen von Amazon, Netflix und Co zu vergleichen, man merkt aber an der Wahl der jungen und unbekannten Schauspieler, dass frischer Wind in die Serienindustrie weht.
Dann gibt es da noch die Comedy-Shows. Das Format, welches eher die U18 Generation ansprechen soll. Videos von Simon Will, Phil Laude und World Wide Wohnzimmer erinnern ein bisschen an Super RTL und „Ups - Die Pannenshow“ und haben definitiv keinen Mehrwert. Pranks, Bestrafungen und Videos, bei denen man sich über Videos lustig macht, gehören aber vor allem bei den jüngeren schon lange zum alltäglichen Programm.
Bemerkenswert ist auch, dass die Qualität dieser Videos nah an den Fernsehstandard herankommt. Kurzzeitig vergisst man sogar, dass man sich gerade auf YouTube befindet. Das könnte aber auch daran liegen, dass das Projekt jährlich mit rund 40 Millionen € gefördert wird und sich beispielsweise das Kliemannsland dadurch ein professionelles Kamera-Team leisten kann.
Egal ob man Gegner oder Befürworter der GEZ-Gebühren ist, mit Funk haben die öffentlich Rechtlichen eine eigene kleine Fernsehwelt kreiert, die zur Unterhaltung, Information und Meinungsbildung beiträgt. Und ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich in meinem GEZZwangsabonnement eine für die Zukunft viel versprechende Alternative zu „Sturm der Liebe“, „Rote Rosen“ oder dem Musikantenstadl habe.

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