TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 22. April 2015

The Walking Dead



Von Anastasia Hartleib

Folgendes Szenario: Sie sind Polizist in einer Kleinstadt in der Nähe von Atlanta. Sie sind verheiratet und haben ein Kind, stehen mitten im Leben. Sie werden bei einem Einsatz angeschossen und fallen ins Koma. Als Sie wieder aufwachen existiert die Welt wie Sie sie kennen nicht mehr, sondern wird von fleischfressenden Untoten bevölkert, die in keinster Weise mehr menschlich sind. Das ist die Situation von Rick Grimes, dem Protagonisten der US-amerikanischen Horrorserie The Walking Dead.


Rick, gespielt von Andrew Lincoln, begibt sich auf die Suche nach seiner Familie und trifft dabei auf andere Überlebende, die die ausgebrochene Seuche noch nicht in einen sogenannten „Beißer“ oder „Streuner“ verwandelt hat. Als Rick seine Familie durch Zufall in einer Gruppe anderer Überlebender findet, wird er schnell zum Anführer und leitet die Gruppe durch dieses postapokalyptische Horrorszenario auf der Suche nach einer dauerhaften und sicheren Bleibe. Auf ihrem langen Weg müssen durch die ständigen Beißerangriffe Verluste beklagt werden, doch es kommen auch immer wieder neue Mitglieder hinzu, die sich der Gruppe anschließen, in der Hoffnung, endlich Sicherheit zu erlangen.

The Walking Dead basiert auf der gleichnamigen Comicserie von Robert Kirkman und Tony Moore, umgesetzt durch den Produzenten Frank Darabount (The Green Mile)  im Auftrag des Fernsehsenders AMC. Die Erstausstrahlung in den USA erfolgte am 31. Oktober 2010. Aktuell läuft die fünfte Staffel der Serie, wobei die nächsten Staffeln bereits in Arbeit sind.

In Deutschland war The Walking Dead im Free-TV erstmals im März 2012 auf RTL II zu sehen, wobei der Sender die  Staffeln (wie auch schon zuvor bei der HBO-Serie Game of Thrones) jeweils als  Eventprogrammierung ausstrahlte, also alle Folgen innerhalb eines Wochenendes beziehungsweise einer Woche.

Als großer Fan realistischer Ästhetik schrecke ich häufig schon allein vor dem Wort Zombie zurück. Doch der Quotenbringer aus den USA wurde nicht ohne Grund bei den Emmyverleihungen 2011 bis 2013 mit zwei Emmy’s für das beste Make-up und weiteren Nominierungen in der Kategorie „beste visuelle Effekte“ ausgezeichnet. Die filmische und düstere Ästhetik wirkt sehr authentisch und die wandelnden Toten hinterlassen einen bleibenden Eindruck des Grauens. Szenerien wie verlassene Städte oder Gebäude wie Wohnhäuser, Schulen oder Kaufhäuser zeugen immer wieder von dem Moment des Seuchenausbruchs und erinnern an Bilder von Orten, die in der Vergangenheit tatsächlich von Katastrophen heimgesucht wurden, wie beispielsweise Tschernobyl oder Fukushima. Der Wald, der den Überlebenden vorwiegend als Lebensraum dient, bietet hingegen eine neutrale Kulisse, die sich sowohl als schutzbringend, aber auch als verhängnisvoll erweisen kann.

Kommt es zu Konfrontationen mit „Beißern“, so wird damit filmisch ganz unterschiedlich umgegangen. Es gibt Kampfszenen, die direkt gezeigt werden und in denen das Blut á la Tarantino fließt. An anderen Stellen wird mit der Imagination des Zuschauers gearbeitet, ein typisches Merkmal des Horrorgenres.

Doch es wird sich nur hintergründig auf „Zombiegesplatter“ konzentriert. Im Blickpunkt der Serie stehen vielmehr das Zusammenleben der Gruppe und die daraus folgenden Konflikte und Probleme. Die eigentlichen Fragen lauten nicht, wie und womit man am besten einen „Beißer“ tötet, sondern was passiert mit den Menschen, wenn sie ihrem alltäglichen Leben entrissen werden und in einen Ausnahmezustand gelangen? Welche Regeln und Konventionen gelten dann noch? Es ist sehr spannend zu sehen, wie mit Themen wie Gerechtigkeit, Rassismus, Selbstmord und „Präventivtötung“ umgegangen wird. Die Überlebenden gelangen in eine Art Ur- oder Naturzustand und müssen sich gesellschaftlich völlig neu ordnen. Die Frage nach moralisch richtigem Handeln wird der Frage der Zweckdienlichkeit hintenangestellt, jedoch nie gänzlich vergessen. Beispielsweise, als zwei der Überlebenden, von der Gruppe getrennt, in ein Haus gelangen, das bewohnt zu sein scheint. Sie plündern nicht die gesamte Vorratskammer, sondern nehmen sich nur das, was sie brauchen, um ihren Hunger zu stillen.

The Walking Dead ist meiner Meinung nach ein Versuch der Rückbesinnung auf das Wesentliche. Es werden Traditionen und Handlungsmuster hinterfragt, die sich in unserer Gesellschaft eingebürgert haben. Wir alle haben Angst vor der großen Katastrophe. Doch was tun wir heute, um diese in der Zukunft zu verhindern? Haben wir unser Denken und Handeln bereits so nachhaltig ausgerichtet, dass wir auch nach dem Super-Gau in der Lage sind, das Leben wie wir es führten wieder aufzunehmen? The Walking Dead gibt auf eine spannende und eindrucksvolle Weise eine Antwort auf diese Fragen, die dem ein oder anderen einen grausigen Schauer bescheren dürfte.

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