TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 21. April 2015

Breaking Bad – Vince Gilligans Erfolgsformel


Von Sina Wittenzellner 

Eine idyllische Wüstenlandschaft, absolute Stille. Eine Hose fällt langsam auf den Boden, während spannungsaufbauende Musik den Wendepunkt einleitet: Ein Campingwagen rast durch das Bild. Was sich in diesem befindet, erscheint als absolut skurril: Der Fahrer, nur mit Unterhose bekleidet, sowie der Beifahrer, der offensichtlich weggetreten ist, tragen eine Gasmaske, während im Rückraum des Wagens ohnmächtige Körper hin-und her rutschen und Gefäße zerbrechen. Der Fahrer steigt aus, dreht eine Art Abschiedsvideo für seine Familie, stellt sich mit einer Pistole in der Hand auf die Straße und wartet augenscheinlich auf die Polizei, welche durch Sirenen angekündigt wird.

Mit dieser Szene wird der Zuschauer in der ersten Folge direkt in die Geschichte der Serie „Breaking Bad“ geworfen – und dadurch erstmal verwirrt. Die Situation wird innerhalb der Episode aufgeklärt: Walter White, Chemielehrer an einer High-School, erfährt, dass er Lungenkrebs hat. Um die Behandlung zu finanzieren und im Falle seines Todes Rücklagen für seine Familie zu hinterlassen, entwickelt er einen Plan: er beschließt, mit Hilfe seines ehemaligen Schülers Jesse Pinkman die Droge Metamphetamin herzustellen, da man dadurch scheinbar auf kurze Zeit viel Geld verdienen kann.
Durch seine besondere Affinität zur Chemie entwickelt White ein Produkt, das in der Drogenszene schnell an Popularität gewinnt.
In insgesamt sechs Staffeln wird der Werdegang eines konservativen Familienvaters zu einem knallharten Drogenboss beschrieben. Dafür erhielt die US-amerikanische Serie nach der Idee von Vince Gilligan einige Auszeichnungen, darunter mehrere Emmys für Brian Cranston als bester Hauptdarsteller. Doch was genau sind ihre Geheimzutaten?
Wie schon erwähnt steht vor allem der Wandel des Protagonisten Walter White im Vordergrund. Dieser wirkt auf den Zuschauer ebenso faszinierend wie erschreckend. Während er vormittags gelangweilten Schülern die Lehre von Stoffen näher bringen will, nutzt er am Nachmittag sein Fachwissen, um zwei Männer umzubringen - das alles geschieht übrigens auch bereits in der ersten Folge. Es wird demnach schnell klar, welchen Pfad er mit dem Eintritt in das Drogengeschäft einschlägt. Die damit einhergehende Kriminalität zieht sich durch das gesamte Format. White benutzt dabei immer wieder seine Kenntnisse über Chemikalien, um Widerständler aus dem Weg zu schaffen und seinen Willen durchzusetzen.
Er steht dabei stets vor Entscheidungen über richtig oder falsch, gut oder böse, moralisch gerechtfertigt oder eben nicht. Beispielsweise lässt er vor seinen Augen Jesses Freundin Jane nach Heroinkonsum an ihrem Erbrochenen ersticken, nur um seinen Partner aus seiner Drogensucht zu „retten“. Obwohl es sich hier ganz klar um unterlassene Hilfeleistung - mit Todesfolge - handelt und er dadurch einen weiteren Menschen auf dem Gewissen hat, scheint Walter es mit sich vereinen zu können.  Durch Rechtfertigungen wie diese wird es dem Zuschauer schwer gemacht, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren und sein Handeln nachvollziehen zu können. Doch gerade dieser Kontrast und die dadurch entstehende Neugierde tragen zum Charme der Serie bei.
Eine weitere Quintessenz des Erfolgsformats ist der Humor. Dieser kommt vor allem in den Dialogen zwischen Walter und Jesse zur Geltung. Dabei wird oft der unterschiedliche Wissensstand der Protagonisten als Aufhänger verwendet. Des Weiteren steuert Saul Goodman, der Anwalt der beiden, einen wichtigen Teil zur Komik bei, indem er – meist an unangebrachter Stelle – einen  belustigenden Spruch fallen lässt. Zum Beispiel erwidert er auf die Frage des besorgten Walters, ob Jesse ihn zusammengeschlagen hätte, als er den Beamten entstellt in seinem Büro auffindet, lässig: „Ja, aber Sie müssen verstehen… tief in seinem Herzen liebt er mich.“ Die Figur scheint so gut angekommen zu sein, dass es sogar ein Spin-Off mit dem Titel „Better call Saul“ gibt.
Zu Beginn lacht man außerdem über die Unbeholfenheit Whites. Doch nachdem sein Wandel vollzogen ist, gilt dies nicht mehr. Der Aufstieg in die Drogenszene bedeutet für ihn gleichermaßen einen Abstieg in seinem Privatleben. Während er sich den Respekt zahlreicher Drogendealer sichert, verliert er diesen in seiner Familie, zuerst bei seiner Frau und dann auch bei seinem Sohn. Doch die Angst davor scheint von dem Wunsch überschattet zu werden, seiner Familie finanziell zu helfen, sich aber auch in gewisser Weise selbst beweisen zu können. Denn einhergehend mit seiner Galgenfrist durch die Krebsdiagnose verliert Walter die Angst vor dem Tod und damit sämtliche Skrupel. Mit dem „Kochen“ von Meth findet er nicht nur eine finanzielle Lösung, sondern auch eine Art Abenteuer und damit Flucht aus dem konservativen Alltag, den er bis dahin kannte. Weiterhin kann er dadurch seine Fähigkeiten als professioneller Chemiker unter Beweis stellen, wobei er bis dato in der Ausübung seines Lehrberufes stets unterfordert war. Durch seine Formel macht er sich als „Heisenberg“ einen Namen und erlangt dadurch die Popularität, die bisher ausgeblieben ist.
Dieses Gegenspiel innerhalb seiner Entwicklung ist die Grundlage eines spannenden Formats, das zum Nachdenken über Moral, Schuld und Entscheidungen anregt. Obwohl ich die ersten Folgen über eher skeptisch gegenüber der Geschichte war, entdeckte ich beim Weiterschauen die oben genannten Aspekte und die damit einhergehende Unterhaltsamkeit. Denn dadurch sticht die Serie gegenüber anderen hervor und wirkt einzigartig.

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