TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 23. August 2017

Ein rosa Bus, eine Aufgabe, 500 Euro und Guido Maria Kretschmer - Shopping Queen

von Magdalena Barfuß


Das „sympathische Brett“, „Die-Vorne-könnte-Hinten-sein-Frau“ oder die „von-allem-zu-viel-Frau“. Guido Maria Kretschmers „Shopping Queen“ ist wie Heidi Klums Topmodel-Contest eine Optimierungsshow, nur dass die Frauen bei Kretschmer in der Regel weder Modelmaße noch modelähnliche Gesichter haben. Es sind normale Frauen mit Fettpölsterchen, Orangenhaut und kurzen Beinen. Sie alle stellen den klischeehaften Shoppingwahn, mit kreischenden, gestressten, von Mode besessenen Frauen in der Styling-Doku zur Schau.

An fünf Tagen in der Woche strahlt Vox Guido Maria Kretschmers Sendung „Shopping Queen“ aus in der fünf Kandidatinnen gegeneinander antreten, wobei am Ende die Teilnehmerin gewinnt, die das beste Modegespür hat - konkreter formuliert: die das Beste aus sich rausholt und ihre körperlichen Makel modisch am  besten kaschiert. Die Aufgabe und das finanzielle Budget erhalten die Kandidatinnen zu Beginn der Woche. Nun hat jede Dame 4 Stunden Zeit ein perfektes Outfit, einschließlich Accessoires und Styling, mit ihrer Shoppingbegleitung einzukaufen.


Verschiedene Spezialsendungen, wie ein Mutter-Tochter-Spezial, ein Zwillingsspezial, männliche Teilnehmer oder das wohl Bekannteste dieser Formate: die Promi-Shopping Queen, sorgen seit knapp 3 Jahren für Abwechslung in der Reality-Mode-Show.

Mit der amüsanten Moderation wurde Guido Maria Kretschmer in Deutschland zum TV-Liebling! Kein Wunder, denn der Designer hat ein breites Repertoire an guten Sprüchen und kluge Mode-Weisheiten auf Lager.

Sobald dem Fernseh-Shopping-Papst kleidungstechnisch jedoch etwas missfällt, verzieht er sein Gesicht oder schlägt die Hände vors Gesicht. Kommentare wie: „Das ist sehr viel Locke für relativ wenig Hals“ oder: „Alle Mädchen, die fleischige Gesichter haben, müssen versuchen, das zu umschiffen, damit sie nicht aussehen wie kleine Ferkelchen.“ Solche Aussagen scheinen ihm die Kandidatinnen offenbar nicht übel zu nehmen. Er inszeniert sich als bester Freund all dieser Frauen, als eine Art großer Bruder ohne „heidiklumhaften“ Gefängniswärterton, stattdessen mit freundlichem Grinsen. Jeder körperliche Makel aber, so lautet Kretschmers gute Nachricht, lässt sich durch das Befolgen einiger einfacher Styling-Regeln kaschieren.

Das „Vorne-könnte-auch-hinten-sein-Problem“ trifft ebenso auf die kleinen runden „Kugelfische“ zu, die im Gegensatz zu den „Brettern“ zu häufig hier gerufen haben, als der liebe Gott Po, Hüfte und Busen verteilte. Der „Von-allem-zu-viel-Frau“ rät er, keine Pumps mit Pfennigabsätzen zu tragen, weil das bei kräftigen Waden immer etwas wacklig aussehe. „Tragen Sie lieber filigrane Wedges und schicke Sandaletten mit Blockabsätzen. Haben Sie keine Angst vor etwas Glitzer, Pailletten und Kristall!“

Nicht nur die Farbe des Shopping-Mobils veränderte sich, sondern auch die Kandidatinnen: Während zu Beginn fast immer ambitionierte (wenn auch selbst ernannte) Mode-Expertinnen vier Stunden mit 500 Euro unterwegs waren, so sind es inzwischen auch immer öfter Frauen, die mit Mode gar nichts am Hut zu haben scheinen. Oder es geht bei Shopping Queen in eine ganz neue Richtung: Extremer Markenwahn und unterirdische Bewertungen.

Zugegeben: Neu ist es nicht, dass im Fernsehen ziemlich schräge Charaktere zu sehen sind. Davon leben solche Sendungen schließlich. Allerdings kommt es in letzter Zeit bei Shopping Queen immer häufiger zu fragwürdigen Situationen: Anfang 20-jährige Studentinnen, die theatralisch Mitarbeiterinnen anschnauzen und mit ihren 1000 Euro Taschengeld im Monat prahlen oder Mottos wie „Kleide dich passend zu deinem Hund“, bei welchem der Hund die komplette Shoppingtour als Accessoire mitgezerrt wird - gefolgt von einem Shit-Storm in den sozialen Medien. Die Zahl der aufsehenerregenden Momente steigt von Staffel zu Staffel. Und das Gefühl der Sensationsgeilheit hat auch dieses Format eingeholt.
Während der Styling-Experte in Tages-, Business- und Partylook- Denkmustern operiert, werfen Kritiker einen sezierenden Blick auf ein Leben als Produkt, sowie die unablässige Selbstbeschau, -kontrolle und –ausbeutung. Neben den sozialen Medien, wie Facebook oder Instagram, finden wir nun immer häufiger neue Inszenierungswerkzeuge. Wir werden konditioniert darauf, uns selbst durch das Auge einer imaginären Kamera zu beobachten, mit einem Blick, der erbarmungslos ist. Ein auf Fehler trainierter Blick.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen