Das „sympathische Brett“, „Die-Vorne-könnte-Hinten-sein-Frau“
oder die „von-allem-zu-viel-Frau“. Guido Maria Kretschmers „Shopping Queen“ ist
wie Heidi Klums Topmodel-Contest eine Optimierungsshow, nur dass die Frauen bei
Kretschmer in der Regel weder Modelmaße noch modelähnliche Gesichter haben. Es
sind normale Frauen mit Fettpölsterchen, Orangenhaut und kurzen Beinen. Sie
alle stellen den klischeehaften Shoppingwahn, mit kreischenden, gestressten, von
Mode besessenen Frauen in der Styling-Doku zur Schau.
An fünf Tagen in der Woche strahlt Vox Guido Maria
Kretschmers Sendung „Shopping Queen“ aus in der fünf Kandidatinnen
gegeneinander antreten, wobei am Ende die Teilnehmerin gewinnt, die das beste
Modegespür hat - konkreter formuliert: die das Beste aus sich rausholt und ihre
körperlichen Makel modisch am besten
kaschiert. Die Aufgabe und das finanzielle Budget erhalten die Kandidatinnen zu
Beginn der Woche. Nun hat jede Dame 4 Stunden Zeit ein perfektes Outfit,
einschließlich Accessoires und Styling, mit ihrer Shoppingbegleitung
einzukaufen.
Verschiedene Spezialsendungen, wie ein
Mutter-Tochter-Spezial, ein Zwillingsspezial, männliche Teilnehmer oder das
wohl Bekannteste dieser Formate: die Promi-Shopping Queen, sorgen seit knapp 3
Jahren für Abwechslung in der Reality-Mode-Show.
Mit der amüsanten Moderation wurde Guido Maria
Kretschmer in Deutschland zum TV-Liebling! Kein Wunder, denn der Designer hat
ein breites Repertoire an guten Sprüchen und kluge Mode-Weisheiten auf Lager.
Sobald dem Fernseh-Shopping-Papst kleidungstechnisch jedoch
etwas missfällt, verzieht er sein Gesicht oder schlägt die Hände vors Gesicht.
Kommentare wie: „Das ist sehr viel Locke für relativ wenig Hals“ oder: „Alle
Mädchen, die fleischige Gesichter haben, müssen versuchen, das zu umschiffen,
damit sie nicht aussehen wie kleine Ferkelchen.“ Solche Aussagen scheinen ihm
die Kandidatinnen offenbar nicht übel zu nehmen. Er inszeniert sich als bester
Freund all dieser Frauen, als eine Art großer Bruder ohne „heidiklumhaften“
Gefängniswärterton, stattdessen mit freundlichem Grinsen. Jeder körperliche Makel aber, so lautet Kretschmers
gute Nachricht, lässt sich durch das Befolgen einiger einfacher Styling-Regeln
kaschieren.
Das „Vorne-könnte-auch-hinten-sein-Problem“ trifft
ebenso auf die kleinen runden „Kugelfische“ zu, die im Gegensatz zu den
„Brettern“ zu häufig hier gerufen haben, als der liebe Gott Po, Hüfte und Busen
verteilte. Der „Von-allem-zu-viel-Frau“ rät er, keine Pumps mit
Pfennigabsätzen zu tragen, weil das bei kräftigen Waden immer etwas wacklig
aussehe. „Tragen Sie lieber filigrane Wedges und schicke Sandaletten mit
Blockabsätzen. Haben Sie keine Angst vor etwas Glitzer, Pailletten und
Kristall!“
Nicht nur die Farbe des Shopping-Mobils
veränderte sich, sondern auch die Kandidatinnen: Während zu Beginn fast immer
ambitionierte (wenn auch selbst ernannte) Mode-Expertinnen vier Stunden mit 500
Euro unterwegs waren, so sind es inzwischen auch immer öfter Frauen, die mit
Mode gar nichts am Hut zu haben scheinen. Oder es geht bei Shopping Queen in
eine ganz neue Richtung: Extremer Markenwahn und unterirdische Bewertungen.
Zugegeben: Neu ist es nicht, dass im
Fernsehen ziemlich schräge Charaktere zu sehen sind. Davon leben solche
Sendungen schließlich. Allerdings kommt es in letzter Zeit bei Shopping Queen
immer häufiger zu fragwürdigen Situationen: Anfang 20-jährige Studentinnen, die
theatralisch Mitarbeiterinnen anschnauzen und mit ihren 1000 Euro Taschengeld
im Monat prahlen oder Mottos wie „Kleide dich passend zu deinem
Hund“, bei welchem der Hund die komplette Shoppingtour als Accessoire
mitgezerrt wird - gefolgt von einem Shit-Storm in den sozialen Medien. Die Zahl
der aufsehenerregenden Momente steigt von Staffel zu Staffel. Und das Gefühl
der Sensationsgeilheit hat auch dieses Format eingeholt.
Während der Styling-Experte in Tages-, Business- und
Partylook- Denkmustern operiert, werfen Kritiker einen sezierenden Blick auf
ein Leben als Produkt, sowie die unablässige Selbstbeschau, -kontrolle und
–ausbeutung. Neben den sozialen Medien, wie Facebook oder Instagram, finden wir
nun immer häufiger neue Inszenierungswerkzeuge. Wir werden konditioniert darauf,
uns selbst durch das Auge einer imaginären Kamera zu beobachten, mit einem
Blick, der erbarmungslos ist. Ein auf Fehler trainierter Blick.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen