TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 23. August 2017

McDreamy in den Alpen – Der Bergdoktor rettet jeden

von Franziska Kränzler


Monotones Piepsen im Hintergrund. Ein Patient, angeschlossen an unzählige Maschinen, liegt auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Angehörige wandern nervös die Gänge der Klinik auf- und ab. Hinter einer Glasscheibe stehen zwei Ärzte und diskutieren über negative Testergebnisse, verschiedene Laborwerte, Blutwerte und Tox-Screen Ergebnisse, die absolut keinen Sinn ergeben. Es scheint eine ausweglose Situation zu sein, denn die Mediziner können sich nicht erklären, was hinter den auffälligen Werten und dem lebensbedrohlichen Zustand des Patienten steckt und müssen hilflos zusehen, wie ihnen langsam, aber sicher die Zeit durch die Finger rinnt. Und dennoch, als schon alles verloren scheint, taucht der gutaussehende Ritter im weißen Kittel mit einer zündenden Idee auf und rettet den Patienten vor dem sicheren Tod. Die Angehörigen fallen dem Doktor um den Hals, danken ihm überschwänglich für seine Hilfe und der Held beschwichtigt seine Leistung, indem er verlauten lässt, dass er doch nur seinen Job erledigt hat. Eine solche oder so ähnliche Szene hat vermutlich schon jeder Fernsehzuschauer in einer der unzähligen Arzt- oder Krankenhausserien einmal gesehen. Die Liste solcher Sendungen scheint endlos. Sei es Dr. House, Emergency Room mit dem jungen George Clooney, Grey’s Anatomy mit dem hübschen Chirurgen Derek Shepherd, besser bekannt als McDreamy oder das deutsche Format In aller Freundschaft. Doch in diesem Fall handelt es sich um die überaus erfolgreiche ZDF- Serie Der Bergdoktor, die Donnerstag abends regelmäßig sieben Millionen Zuschauer an den Fernseher lockt.


Seit 2008 schlüpft der Österreicher Hans Sigl in der Neuauflage der gleichnamigen deutsch-österreichischen Arztserie von 1992 in die Rolle des Doktor Martin Gruber. Wie sich bereits anhand des Namens der Serie erahnen lässt, steht Dr. Gruber im Mittelpunkt der Handlung, die in den Bergen, genauer gesagt im kleinen, beschaulichen Ellmau in Tirol spielt. Die Macher der Serie verharren aber nicht nur auf den oftmals kuriosen medizinischen Fällen, sondern verflechten diesen Handlungsstrang mit allerlei Dramen um das Haus und den Hof der Familie Gruber. So hat Dr. Gruber nicht nur mit komplizierten Patienten zu kämpfen, sondern muss sich auch noch um Lilli, seine Tochter im Teenager Alter, kümmern, die lieber mit ihrem Freund ein Jahr nach Australien reist als sich an der Uni einzuschreiben. Der ganz normale Wahnsinn also. Streit und Probleme haben die Grubers auch allezeit mit ihrem Nachbar Arthur Distelmeier, der den Gruberhof schon oft an den Rand des Ruins trieb. Die gute Seele des Hofs und der Familie ist Mutter Lisbeth Gruber, die auch ihre beiden Söhne Martin und Hans wieder zusammenrauft, wenn die sich wieder einmal gestritten haben, weil zum Beispiel einer der beiden eine Affäre mit der Frau des Anderen anfängt.   

Der Bergdoktor ist, was zumindest den Handlungsort angeht, keine klassische Arztserie, die oftmals nur an wenigen Schauplätzen, einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis spielt. Im Gegensatz dazu findet bei der ZDF-Serie nur ein kleiner Teil der Handlung in der Praxis oder der Klinik statt. Dr. Gruber besucht die Patienten sehr oft zu Hause, wo er auch stets ein offenes Ohr für die privaten Probleme der Menschen hat. Im Notfall rettet der Alleskönner die Schwerverletzen auch mit Hilfe des Helikopters aus brenzligen Situationen in den Bergen. Das ZDF kombiniert mit dem Format gekonnt zwei äußerst beliebte Genres miteinander: die Arztserie und den Heimatfilm. Dadurch wird die Reichweite der Serie gesteigert und eine noch breitere Zuschauerschaft angesprochen. Zum einen diejenigen, die gerne etwas Spannung und Drama in einer Serie suchen und zum anderen diejenigen, die sich an sentimentaler Romantik inmitten des Bergpanoramas erfreuen. Dr. Martin Gruber agiert zwar in der Serie meist als Held und Retter in der Not, nur sein eigenes Happy End scheint ihm von den Machern der Serie nicht vergönnt zu sein. Immer wieder muss er Schicksalsschläge verkraften und auf die Liebe seines Lebens wartet er nur schon seit 105 Folgen vergeblich. Vielleicht war dies aber selbst den Machern der Serie zu viel Kitsch: Ein sympathischer, gutaussehender, verständnisvoller Arzt, der in einer Bilderbuchkulisse Leben rettet und auch noch ein perfektes Privatleben besitzt. Der, meist weibliche, Zuschauer kann sich innerhalb einer Folge in Spielfilmlänge in eine heile Welt mit saftigen grünen Wiesen und dem Massiv des Wilden Kaisers im Hintergrund in eine Welt flüchten, in der – dem Bergdoktor sei Dank -  alles wieder in Ordnung kommt. Um diese große Anhängerschaft an weiblichen Fans nicht zu verlieren oder zu vergraulen, wird Dr. Martin Gruber wohl noch länger auf die Frau fürs Leben warten müssen.  

Die Diagnose für den Bergdoktor selbst wäre im Gegensatz zu den Fällen in der Serie sehr schnell getroffen: chronisch unspektakulär. Die eingangs beschriebene Szene kommt in nahezu jeder Folge ohne wirkliche Änderung der Dramaturgie vor und somit fühlt sich sogar der eher sporadische Zuschauer der Serie schnell gelangweilt, da er bei jeder Szene das Gefühl hat, diese schon einmal gesehen zu haben. Das Klischee des idyllischen Bauernhofes am Fuße des Wilden Kaisers und das traditionelle Zusammenkommen beim Gasthof im Dorf sind schon in unzähligen anderen Fernsehformaten thematisiert worden und längst kein innovativer Handlungsaspekt mehr. Die Fahrten des Dr. Gruber in seinem alten nickelgrünen Mercedes durch die Serpentinen wirken so kitschig, dass es beinahe wehtut. Eine Behandlung vom Bergdoktor würde ich dennoch dankend ablehnen. 

Aber warum ist dann diese sehr vorhersehbare Serie oder generell Serien, in denen Krankheit und Tod die Hauptrolle spielen, bei so vielen Menschen so überaus beliebt und erfolgreich? Erster  Ansprechpartner für eine fachkundige Meinung ist natürlich auch hier der Bergdoktor selbst. Dieser sieht den Unterschied zu den überaus vielen Kriminalserien, gepaart mit einer atemberaubenden Kulisse und spannenden Fällen als Garant des Erfolges. Eventuell sehen aber auch die Zuschauer in den Ärzten eine Art Helden, die das Wohl der Anderen über das eigene stellen. Zudem baut das Publikum im Laufe der Zeit zu den Charakteren eine Verbindung auf und fiebert mit den Darstellern regelrecht mit. Ein weiterer Grund für den Erfolg, neben dem Frauenmagnet Hans Sigl, wird vermutlich der Aspekt sein, dass keine dramatischen und blutigen Eingriffe im OP gezeigt werden, sondern Geschichten, die vielleicht sogar, im wahren Leben geschehen könnten. Die Serie schafft es auch die eher zartbesaiteten Zuschauer am Bildschirm kleben zu lassen, indem sie in den wenigsten Fällen eine Krankheit mit dem Tod enden lässt. Damit können sich die Zuseher identifizieren und haben eine nette, seichte Donnerstagabendunterhaltung. Oder ist die Nostalgie der ausschlaggebende Faktor? Auf dem Land herrscht ein immer größer werdender Ärztemangel und daher wächst eventuell auch beim Zuschauer der Sendung die Sehnsucht nach einem vertrauensvollen Doktor, der sofort alles stehen und liegen lässt, zu seinen Patienten eilt und immer das richtige Heilmittel parat hat. Vermutlich ist es eine Mischung aus all den aufgezählten Gründen und dennoch ist es und wird es mir ein Rätsel bleiben, wie sich eine Serie mit solch einfallsloser Dramaturgie und ähnlicher Handlung so lange und erfolgreich auf dem Markt halten kann. Eine elfte Staffel wurde bereits bestätigt und soll Anfang nächsten Jahres ausgestrahlt werden. Viele Fans markieren sich vermutlich schon den Termin im Kalender. Doch der Erfolg gibt dem ZDF Recht und somit hat wohl auch Der Bergdoktor – selbst wenn mir dies schleierhaft bleiben wird - seine Daseinsberechtigung.

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