von Franziska Kränzler
Monotones
Piepsen im Hintergrund. Ein Patient, angeschlossen an unzählige Maschinen,
liegt auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Angehörige
wandern nervös die Gänge der Klinik auf- und ab. Hinter einer Glasscheibe
stehen zwei Ärzte und diskutieren über negative Testergebnisse, verschiedene Laborwerte,
Blutwerte und Tox-Screen Ergebnisse, die absolut keinen Sinn ergeben. Es
scheint eine ausweglose Situation zu sein, denn die Mediziner können sich nicht
erklären, was hinter den auffälligen Werten und dem lebensbedrohlichen Zustand des
Patienten steckt und müssen hilflos zusehen, wie ihnen langsam, aber sicher die
Zeit durch die Finger rinnt. Und dennoch, als schon alles verloren scheint, taucht
der gutaussehende Ritter im weißen Kittel mit einer zündenden Idee auf und
rettet den Patienten vor dem sicheren Tod. Die Angehörigen fallen dem Doktor um
den Hals, danken ihm überschwänglich für seine Hilfe und der Held beschwichtigt
seine Leistung, indem er verlauten lässt, dass er doch nur seinen Job erledigt
hat. Eine solche oder so ähnliche Szene hat vermutlich schon jeder
Fernsehzuschauer in einer der unzähligen Arzt- oder Krankenhausserien einmal
gesehen. Die Liste solcher Sendungen scheint endlos. Sei es Dr. House, Emergency Room mit dem jungen George Clooney, Grey’s Anatomy mit dem hübschen Chirurgen Derek Shepherd, besser
bekannt als McDreamy oder das deutsche Format In aller Freundschaft. Doch in diesem Fall handelt es sich um die überaus
erfolgreiche ZDF- Serie Der Bergdoktor,
die Donnerstag abends regelmäßig sieben Millionen Zuschauer an den Fernseher
lockt.
Seit 2008 schlüpft der Österreicher Hans Sigl
in der Neuauflage der gleichnamigen deutsch-österreichischen Arztserie von 1992
in die Rolle des Doktor Martin Gruber. Wie sich bereits anhand des Namens der
Serie erahnen lässt, steht Dr. Gruber im Mittelpunkt der Handlung, die in den
Bergen, genauer gesagt im kleinen, beschaulichen Ellmau in Tirol spielt. Die
Macher der Serie verharren aber nicht nur auf den oftmals kuriosen
medizinischen Fällen, sondern verflechten diesen Handlungsstrang mit allerlei
Dramen um das Haus und den Hof der Familie Gruber. So hat Dr. Gruber nicht nur
mit komplizierten Patienten zu kämpfen, sondern muss sich auch noch um Lilli, seine
Tochter im Teenager Alter, kümmern, die lieber mit ihrem Freund ein Jahr nach
Australien reist als sich an der Uni einzuschreiben. Der ganz normale Wahnsinn
also. Streit und Probleme haben die Grubers auch allezeit mit ihrem Nachbar Arthur Distelmeier, der den Gruberhof schon oft an den Rand des Ruins
trieb. Die gute Seele des Hofs und der Familie ist Mutter Lisbeth Gruber, die
auch ihre beiden Söhne Martin und Hans wieder zusammenrauft, wenn die sich wieder
einmal gestritten haben, weil zum Beispiel einer der beiden eine Affäre mit der
Frau des Anderen anfängt.
Der Bergdoktor ist,
was zumindest den Handlungsort angeht, keine klassische Arztserie, die oftmals
nur an wenigen Schauplätzen, einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis spielt. Im
Gegensatz dazu findet bei der ZDF-Serie nur ein kleiner Teil der Handlung in
der Praxis oder der Klinik statt. Dr. Gruber besucht die Patienten sehr oft zu
Hause, wo er auch stets ein offenes Ohr für die privaten Probleme der Menschen
hat. Im Notfall rettet der Alleskönner die Schwerverletzen auch mit Hilfe des
Helikopters aus brenzligen Situationen in den Bergen. Das ZDF kombiniert mit
dem Format gekonnt zwei äußerst beliebte Genres miteinander: die Arztserie und
den Heimatfilm. Dadurch wird die Reichweite der Serie gesteigert und eine noch
breitere Zuschauerschaft angesprochen. Zum einen diejenigen, die gerne etwas
Spannung und Drama in einer Serie suchen und zum anderen diejenigen, die sich
an sentimentaler Romantik inmitten des Bergpanoramas erfreuen. Dr. Martin
Gruber agiert zwar in der Serie meist als Held und Retter in der Not, nur sein
eigenes Happy End scheint ihm von den Machern der Serie nicht vergönnt zu sein.
Immer wieder muss er Schicksalsschläge verkraften und auf die Liebe seines
Lebens wartet er nur schon seit 105 Folgen vergeblich. Vielleicht war dies aber
selbst den Machern der Serie zu viel Kitsch: Ein sympathischer, gutaussehender,
verständnisvoller Arzt, der in einer Bilderbuchkulisse Leben rettet und auch
noch ein perfektes Privatleben besitzt. Der, meist weibliche, Zuschauer kann
sich innerhalb einer Folge in Spielfilmlänge in eine heile Welt mit saftigen
grünen Wiesen und dem Massiv des Wilden Kaisers im Hintergrund in eine Welt
flüchten, in der – dem Bergdoktor sei Dank - alles wieder in Ordnung kommt. Um diese große
Anhängerschaft an weiblichen Fans nicht zu verlieren oder zu vergraulen, wird
Dr. Martin Gruber wohl noch länger auf die Frau fürs Leben warten müssen.
Die Diagnose für den Bergdoktor selbst wäre im
Gegensatz zu den Fällen in der Serie sehr schnell getroffen: chronisch unspektakulär. Die
eingangs beschriebene Szene kommt in nahezu jeder Folge ohne
wirkliche Änderung der Dramaturgie vor und somit fühlt sich sogar der eher
sporadische Zuschauer der Serie schnell gelangweilt, da er bei jeder Szene das Gefühl hat, diese schon einmal gesehen
zu haben. Das Klischee des idyllischen Bauernhofes am Fuße des Wilden Kaisers
und das traditionelle Zusammenkommen beim Gasthof im Dorf sind schon in
unzähligen anderen Fernsehformaten thematisiert worden und längst kein
innovativer Handlungsaspekt mehr. Die Fahrten des Dr. Gruber in seinem alten
nickelgrünen Mercedes durch die Serpentinen wirken so kitschig, dass es beinahe
wehtut. Eine Behandlung vom Bergdoktor würde ich dennoch dankend ablehnen.
Aber
warum ist dann diese sehr vorhersehbare Serie oder generell Serien, in denen
Krankheit und Tod die Hauptrolle spielen, bei so vielen Menschen so überaus
beliebt und erfolgreich? Erster
Ansprechpartner für eine fachkundige Meinung ist natürlich auch hier der
Bergdoktor selbst. Dieser sieht den Unterschied zu den überaus vielen
Kriminalserien, gepaart mit einer atemberaubenden Kulisse und spannenden Fällen
als Garant des Erfolges. Eventuell sehen aber auch die Zuschauer in den Ärzten
eine Art Helden, die das Wohl der Anderen über das eigene stellen. Zudem baut
das Publikum im Laufe der Zeit zu den Charakteren eine Verbindung auf und
fiebert mit den Darstellern regelrecht mit. Ein weiterer Grund für den Erfolg,
neben dem Frauenmagnet Hans Sigl, wird vermutlich der Aspekt sein, dass keine dramatischen
und blutigen Eingriffe im OP gezeigt werden, sondern Geschichten, die
vielleicht sogar, im wahren Leben geschehen könnten. Die Serie schafft es auch
die eher zartbesaiteten Zuschauer am Bildschirm kleben zu lassen, indem sie in
den wenigsten Fällen eine Krankheit mit dem Tod enden lässt. Damit können sich
die Zuseher identifizieren und haben eine nette, seichte Donnerstagabendunterhaltung.
Oder ist die Nostalgie der ausschlaggebende Faktor? Auf dem Land herrscht ein
immer größer werdender Ärztemangel und daher wächst eventuell auch beim
Zuschauer der Sendung die Sehnsucht nach einem vertrauensvollen Doktor, der
sofort alles stehen und liegen lässt, zu seinen Patienten eilt und immer das
richtige Heilmittel parat hat. Vermutlich ist es eine Mischung aus all den
aufgezählten Gründen und dennoch ist es und wird es mir ein Rätsel bleiben, wie
sich eine Serie mit solch einfallsloser Dramaturgie und ähnlicher Handlung so
lange und erfolgreich auf dem Markt halten kann. Eine elfte Staffel wurde
bereits bestätigt und soll Anfang nächsten Jahres ausgestrahlt werden. Viele
Fans markieren sich vermutlich schon den Termin im Kalender. Doch der Erfolg gibt
dem ZDF Recht und somit hat wohl auch Der
Bergdoktor – selbst wenn mir dies schleierhaft bleiben wird - seine
Daseinsberechtigung.
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