TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 23. Januar 2012

"Dramedys"- und wie die Charaktere mit ihrem Schicksal umgehen

von Tilly Kaul

Jeder, der die ein oder andere TV-Serie kennt, muss zugeben, dass es im Leben der Charaktere nicht immer gerade realistisch zugeht.Besonders hervorzuheben sind dabei die (meist amerikanischen) Formate, die als "Dramedy" bezeichnet werden – Eine Serie als Mischung aus Komödie und Drama, wie es Desperate Housewives, Greys Anatomy, Pushing Daisies u.v.m. sein wollen. Eine Serie also, die witzige Dialoge und amüsante Begebenheiten mit tragischen Ereignissen und schweren Schicksalsschlägen verbindet.
Aber wie realistisch kann diese Verbindung wirklich sein? Überlegt man sich selbst, was man im Leben schon durchmachen musste und wie sehr es einen geprägt hat, kommt der Durchschnittsbürger auf ein Gleichgewicht an positiven Erlebnissen und Rückschlägen, was wohl dem gesunden Maß entspricht, das ein „normaler“ Mensch gut verarbeiten kann.

Schaut man dahingegen das Leben der Charaktere genannter "Dramedy"-Serien an, muss man schnell feststellen, dass sich gute und schlechte Ereignisse nicht unbedingt die Waage halten. Die Charaktere müssen Situationen durchleben, die in ihrer Fülle im Leben einer einzelnen Person kein besonders realistisches Bild abgeben und schon bald an der Psyche eines "normalen" Menschen kratzen müssten.
Ebenso weit von der Realität entfernt sind deswegen die Reaktionen der Charaktere auf ihre Schicksalsschläge. "Aus den Augen aus dem Sinn" heißt hier wohl die Devise, denn vergessen sind die schlimmen Erlebnisse meist schon nach wenigen Folgen der "Auseinandersetzung" und bieten neue Angriffsfläche, damit der Charakter schon bald dem nächsten Schicksalsschlag ausgesetzt werden kann.
Dieses Phänomen lässt sich wahllos auf so ziemlich jedes Format anwenden. Hierbei nehme man zum Beispiel Lynette Scavo aus der beliebten amerikanischen Erfolgs-Serie Desperate Housewives (ABC/Pro7).Lynette, Hausfrau, verheiratet, 4 Kinder. Wie man meinen möchte die "normalste" der "Housewives" und als Vertreterin der Hausfrau und Mutter über eine Großfamilie wohl für viele Bezugsperson Nummer 1; doch wenn man anschaut, wie viel sie im Laufe der gesamten Serie erleben und durchmachen muss, erscheint der Begriff "normal" mehr als unpassend.Aus Überforderung greift sie zu den ADHS-Tabletten ihrer Kinder, ihr Mann hat ein voreheliches Kind und dafür brauchen sie 30.000 Dollar, die eifersüchtige Ex ihres Mannes wird erschossen und Lynette muss zusätzlich für das uneheliche Kind sorgen, das die neue Stiefmutter wiederum nicht anerkennt und Revolten anzettelt. Pädophile Nachbarn, Diagnose Krebs, ein Tornado, der die Stadt verwüstet und die Familie verschüttet, Mitlife-Crisis ihres Mannes, ihre Söhne, die auf die schiefe Bahn geraten, von denen der eine eine Affäre mit der Mutter seines Schulfreundes beginnt, eine erneute Schwangerschaft - mit Zwillingen - eines der Ungeborenen stirbt, als Lynnette bei einem Flugzeugabsturz ein anderes Kind rettet, der umgehende "Würger" tötet Lynettes Schwiegertochter in Spé und hält Lynette als Geisel, schon wieder schwanger, ihr Mann greift zu Marihuana, ihr Mann verlässt sie, sie sprechen sich aus und trennen sich endgültig ...
Ob O.C. California, Desperate Housewives oder OneTreeHill - auch wenn sich die Formate in der Thematik unterscheiden, gleichen sie sich doch in der unglaublichen Menge an Dramen, die jedem Charakter widerfahren, sowie im Umgang mit dem Erlebten. Es scheint, als könne selbst der schwerste Schicksalsschlag nur Tage oder Wochen zur Verarbeitung brauchen, ehe er komplett vergessen oder eben überwunden ist. Mit Realität hat das nicht viel gemein. Es wird das Bild aufgebaut, der Schmerz, den die Erlebnisse mit sich bringen, wäre zeitlich begrenzt und ertragbar. Wie schwer es Menschen in wirklichen Situationen haben, wird nicht gezeigt und spricht damit eigentlich für eine kritischere Prüfung der oft ab 12 Jahren freigegebenen Formate.
Natürlich kann nicht gesagt werden, dass genannte Serien derart tiefgründig versuchen, die Rezipienten psychologisch zu beeinflussen. Es wird viel mehr nicht in allen Teilen über die Auswirkungen des Dargestellten nachgedacht und die Macht, die solche Serien und das Fernsehen an sich über sein Publikum hat, in vielen Punkten außer Acht gelassen.
So übersteht Lynette die enorme Zahl an verstörenden Geschehnissen auf lange Sicht scheinbar unbeschadet, um schon bald sorgenfrei der nächsten Prüfung entgegen treten zu können.

Und was bleibt ihr auch anderes übrig? Ein Ende ihres verhängnisvollen Schicksals scheint nicht in Sicht.

1 Kommentar:

  1. Liebe Tilly,
    alles Gute zu Deinem heutigen "Schicksals-Schlag" (Geburtstag am 17.11. 2012).
    Kärtchen kommt noch.
    Herzliche Grüße
    Monika und Roland

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