TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 22. August 2019

Die Telefonistinnen – Madrid Calling

von Felicitas Dusel
Wir schreiben das Jahr 1928. Eine Feier, elegant gekleidete Frauen mit Perlenketten und extravaganten Kopfbedeckungen, Männer in Anzügen mit Zigarren und Champagnergläsern in der Hand. Der heitere Anschein trügt, wenn man den Worten der Protagonistin Lidia Aguilar im Voiceover folgt. Denn Lidias Realität ist eine andere: aufgrund der Unterdrückung der Frauen im Spanien der 20er Jahre, ist sie drauf und dran mit ihrer Freundin nach Argentinien zu fliehen. Doch dies endet mit der Ermordung besagter Freundin durch deren Ehemann, was auch Lidias Leben von da an komplett verändern wird. Kurz darauf findet sie sich in einem Telekommunikationsunternehmen Madrids wieder, welches sie im Auftrag eines Polizisten ausrauben soll, da er sie andernfalls fälschlicherweise des Mordes an ihrer Freundin schuldig machen würde.
Zwar spielt die erste spanische Netflix-Serie (ja, es gab auch ein Leben vor Haus des Geldes) vor gut 90 Jahren, doch die Themen könnten nicht aktueller sein, was sie so absolut sehenswert macht. Für mich war die Serie zuerst ein willkommener Anlass, das Fernsehen als „lernen“ für meine Spanischklausuren abzutun, da ich sie in der Originalversion schaute. Doch schon nach der ersten Folge war ich gefesselt von den schockierenden, bewegenden und spannenden Wendungen um Lidia und ihre drei besten Freundinnen, die sie während ihres geheimen Auftrags kennenlernt. Die vier könnten nicht unterschiedlicher sein, doch trotzdem entsteht eine enge „Wenn du jemanden umbringen würdest, würde ich dir helfen die Leiche zu verstecken“-Freundschaft (das ist an dieser Stelle wörtlich gemeint…) unter den Frauen. Die Problematiken, mit denen Lidia, Marga, Ángel und Carlota konfrontiert werden, reflektieren vor allem auch aktuelle gesellschaftliche Themen: im Vordergrund stehen Geschlechtergleichstellung, Homo- und Transsexualität und häusliche Gewalt gegen Frauen.
Genau deswegen finde ich Die Telefonistinnen so gelungen: neben Liebesdramen & Co. schafft es die Serie, weitaus tiefer zu greifen und wirklich bedeutende Diskussionen zu provozieren. Somit kritisiert sie unterschwellig auch unsere heutige Gesellschaft – wie kann es denn sein, dass vor 90 Jahren die gleichen Verhältnisse herrschten wie im 21. Jahrhundert? Natürlich ist die geschichtliche Korrektheit der Serie nicht bedingungslos vorauszusetzen, und es hat sich definitiv einiges in Richtung Gleichberechtigung getan, doch das ist bei Weitem nicht überall auf der Welt der Fall, und so sollte uns Die Telefonistinnen einmal gehörig zum Nachdenken anregen.

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