TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 22. August 2019

Die Fahrt ums Überleben- Drive to Survive

von Bjarne Schwebcke
Glühender Asphalt, durchdrehende Reifen, teure Autos, Kollisionen und Überschläge und hitzige Rivalitäten. Als Hauptdarsteller könnte man an Vin Diesel, Paul Walker oder Dwayne Johnson aus Fast and Furious denken. Doch die Hauptakteure heißen Daniel Ricciardo, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton und Max Verstappen. Es geht um die teuersten und schnellsten Rennen der Welt. Es geht um die Formel 1. Einem Speedjunkie, dem auch noch ein Flugzeugstart zu langsam ist, kribbelt es beim Gedanken an solche Geschwindigkeiten.
Jedes Jahr werden die Präzisionsinstrumente noch schneller, aerodynamischer, ‚abgespaceter‘. Millimentergenau wird nicht nur an dem Bulliden, sondern auch auf der Strecke gearbeitet. An jeder Millisekunde wird gefeilt. Bis zum absoluten Limit. Aus der Perspektive im Cockpit, wahrlich eine Fahrt die es zu überleben gilt. In einem Formel 1 Auto wirkt des öfteren eine 4- bis 8-fache G-Force auf den Fahrer. Ein Raketenstart mit bis zu 3-facher Erdanziehungskraft ist daneben auch nur eine Lappalie. Fahrer schwärmen es fühle sich an wie Fliegen. Die bangende Mutter von Daniel Ricciardo will nur ein sicheres Rennen. Jede gute Platzierung ist in ihren Augen ein Geschenk. Doch die Netflix Serie zeigt nicht nur wie die Fahrer in der Saison 2018 um ihr eigenes Überleben fahren.
Jedes Resultat gilt. Man fährt um den eigenen Job, um den der Crew. Ironisch dabei ist: der eigene Teamkamerad ist der größte Rivale. Drive to Survive zeigt jedoch nicht die so von RTL ausgelutschte Rivalität zwischen Ferraris erkorenem Star Sebastian Vettel und Mercedes‘ Titelgarant Lewis Hamilton. Die Rivalen Max Verstappen und Daniel Ricciardo im Team von Red Bull liefern sich einen Hahnenkampf. Keiner der Streithähne will nachgeben, bis es unweigerlich zum Crash kommt. Die beiden schießen sich im Grand Prix von Baku von der Strecke. Keine Punkte für Red Bull. Äußerst schmerzhaft, da die Teampunkte am Ende der Saison je nach Platzierung eine hohe Summer an Gewinngeldern mit sich bringt. Summen die die Ablösen von ca. 90% der Fussballwelt wie Spielgeld aussehen lässt. Ferrari bekommt nach 25 Jahren in der Formel 1 73 Mio. plus Geld durch die Konstrukteurswertung ausgezahlt, dabei bekommt dieser Rennstall bis zu 500 Mio. Euro von Ferrari zur Verfügung gestellt. Jährlich. Auch Mercedes zahlt ähnliche Summen um noch vor Ferrari die Speerspitze dieser Supercars zu bilden. Summen von denen andere Teams nur Träumen können. Doch die Geldmaschienerie hört da nicht auf. Ein Fahrer wie Vettel muss ja auch seine 40- 50 Mio. im Jahr verdienen. Peanuts.
Das Machtgefüge und die Welt des Erfolgsdrucks für Teamchefs rücken ebenfalls in den Vordergrund. Männer die sich wie im Kindergarten aufführen. Denn der im TV noch so sympatische Team Principal Christian Horner von Red Bull Racing streitet sich mit Renaults Cyril Abetiboul um die von letzteren gelieferten Motoren. Eine Energy Drink Marke streitet sich mit einem stolzen Franzosen über Hochleistungsmaschienerie, die nicht wie zu Zeiten 4- maliger Weltmeistertitelerringung zu funktionieren scheinen. Spoiler Alert! Red Bull trennt sich von Renault. Gleich das ‚Ätschi- Bätsch‘ von Renault. Das australische Weltklassse-Talent Daniel Ricciardo wird von Red Bull zu Renault abgeworben. Der zuvor noch unvständnissvolle Cyril Abiteboul kann sein Häme und Genugtuung auf der Pressekonferenz nicht verbergen. Was. Für. Ein. Kindergarten.
Dabei geht es doch eigentlich um Racing. Die Dramaturgie der Saison spitzt sich zu, denn so viel Drama neben der Strecke herrscht, so viel herrscht auch auf der Strecke. Gleich 2 Teams wird es in ihrer Form in der folgenden Saison nicht geben. Aufgekauft von Oligarchen. Fahrer müssen sich nun beweisen und fahren um ihre Lebenseinkünfte. Außerdem wird ein Platz frei, denn in der Person Alonso hört eine Fahrerlegende auf. Drive to Survive. Ein vielfältig zu verstehender Titel der mir nicht nur die Sonnenseiten des Rennens zeigt. Jeder muss hart arbeiten, überzeugen und am Ende des Tages unter Hochdruck Perfektion abliefern. Die Fahrer liefern sich nervenaufreibende Straßenkämpfe und haarscharfe Überholungsmannöver bei 300 km/h. Weltklasse. Gerade durch die gezeigten Hintergründe erlangen die Trainings-, Qualifying- und Rennausschnitte mehr Gewicht und werden aus neuen Kameraperspektiven noch dramatischer und auch emotionaler. Ich fieber mit um das Überleben im Rennsport.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen