Mit dem Slogan „Zeiten werden härter – Helden auch“ hat RTL die 36. Staffel der Serie Alarm für Cobra 11 beworben. Besser hätte man die spürbaren Veränderungen auch nicht beschreiben können, denn die aktuelle Staffel der Action- und Krimiserie, die immer donnerstags um 20.15 Uhr ausgestrahlt wurde, ist durch zunehmende Brutalität gekennzeichnet. Ein Paradebeispiel für dieses Argument war für mich eine Szene, in der man in Nahaufnahme sieht, wie ein Vater seinen Sohn ersticht.
Härtere Zeiten also! Außerdem wurden die
Action-Elemente, wie spektakuläre Explosionen und Verfolgungsjagden – die
Markenzeichen der seit Jahren erfolgreichen Serie – zunehmend durch
Nahkampfszenen in den Hintergrund gedrängt. Somit wird der harte Kampf der
beiden Hauptkommissare Alex Brandt (Vinzenz Kiefer) und Semir Gerkan (Erdogan
Atalay) mit Verbrechern, Mördern und Angehörigen von natürlich immer
osteuropäischen kriminellen Organisationen, zum Hauptelement. Dabei wird meist
mit bloßer Hand auf den Gegner eingeschlagen. Die Helden werden härter! Die
schon immer etwas unkonventionellen Mittel zur Verbrechensbekämpfung nehmen in diesen
neuen Zeiten immer stärkere Ausmaße an, Illegalität und Ermittlungsmethoden an
der Grenze von jeglicher Moral sind an der Tagesordnung und der Bekämpfung des
Bösen sind keine Grenzen gesetzt.
Vielleicht hat RTL mit dem Wandel der Helden
(„Helden werden härter“) aber auch gemeint, dass zunehmend Familienangehörige
der beiden Hauptkommissare in Gefahr geraten. Semirs Exfrau wird in der ersten
Folge der Staffel lebensgefährlich in den Bauch geschossen. Er muss sie
daraufhin wiederbeleben und sie überlebt nur knapp. Das Postive daran ist, dass
dieses Erlebnis die beiden wieder zusammenführt. Alex‘ Ziehschwester hingegen
hat die Seiten gewechselt und gehört zu den „Bösen“, denn um sich an ihrem
Vater, der sich nie um sie gekümmert hat, zu rächen, ist ihr jedes Mittel
recht, wodurch sie letztendlich im Gefängnis landet. Im Staffelfinale vom 27.
November 2014 wird Semirs uneheliche Tochter von Menschenhändlern entführt und
im Laufe der Folge sterben dann sowohl die Mutter als auch der Adoptivvater des
Mädchens. Treffend von den Gangstern beschrieben mit „nichts ist gefährlicher
als ein Vater, der seine Tochter liebt“ riskiert Semir alles und rettet seine
Tochter in letzter Minute. Dadurch wird er, wie Alex sagt, zum Einzigen, den
sie noch hat.
Auch auf der Gegenseite, bei den „Bösen“, spielen sich vermehrt
Familiendramen ab. Andere Verschwörungen oder Verbrechen sind im Gegensatz zu
den vorherigen Staffeln selten zu finden. Die Brutalität hat auch dazu geführt,
dass ich froh war, wenn der Werbeblock eingespielt wurde, denn dieses Segment
ermöglichte mir wenigstens eine kurze Erholungspause. Dass oben genannte
Brutalität natürlich Bestandteil von Action- und Krimiserien ist, ist mir
völlig klar, nur lässt sich zwischen brutalen Elementen, Ermittlungsarbeit und
Familienleben der Charaktere kein Gleichgewicht mehr finden.
Einen großen
Einfluss darauf hat auch, dass Semirs ehemaliger Partner Ben Jäger (Tom Beck)
durch Alex Brandt ersetzt wurde. Ben sorgte immer wieder für Lockerheit und mit
lustigen Kommentaren und coolen Sprüchen wurde so manche Situation entspannter
und auch seine Zusammenarbeit mit Semir fand auf einer anderen Basis statt. Sie
war freundschaftlicher, sie vertrauten sich blind und der manchmal etwas
tollpatschige Ben harmonierte hervorragend mit dem kleinen, drahtigen Semir. Deshalb
leidet die Serie auch in der zweiten Staffel nach Tom Becks Abschied noch unter
dessen Ausstieg.
Alex nämlich hat mit seiner Vergangenheit zu kämpfen, kann
sehr schwer Vertrauen aufbauen und sein Charakter allgemein unterscheidet sich
sehr stark von Ben. Die Figur des Alex Brandt hat an sich sehr großes
Potenzial, kann sich in der Serie aber bis jetzt noch nicht so richtig
entfalten. Versuche Alex durch lockere Sprüche, wie zuvor Ben, in Szene zu setzen,
missglücken und wirken für den Zuschauer eher peinlich. Auch arbeiten die
beiden Ermittler nicht mehr so eng zusammen und sind oft alleine unterwegs, vor
allem wenn es mal wieder um in Gefahr geratene Familienmitglieder geht. Die
Folge ist, dass man nun, wie von RTL schon im Voraus prophezeit, zwei
abgehärtete Helden hat und man Harmonie teilweise vermisst. Vielleicht auch ein
Grund, weshalb die Zuschauerquoten allgemein sinken, wobei der Marktanteil
immer noch etwa 11 Prozent beträgt. Ich hoffe jedoch, dass sich in der
nächsten, für den Frühling geplanten Staffel, wieder mehr Themenvielfalt findet
und man es schafft, die Rolle des Alex Brandt besser in das Konzept miteinzubinden. Andernfalls werde auch ich
mir für den Donnerstagabend eine Alternative suchen.
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