von Franziska Sachs
Schubladendenken ist nicht gut. Das hat inzwischen eigentlich jeder Mensch begriffen. Trotzdem, das Einteilen in Kategorien und die Zuschreibung von Etiketten vereinfacht Vieles. So ist es auch in der Literatur, der Musik und beim Film, und wird es vermutlich auch immer bleiben, seit kurzem haben ja sogar Männer und Frauen je ihre eigenen Sender. Wie sonst sollte der Rezipient aus dem unendlich große Angebot genau das finden, was zu ihm passt, und die Werbekunden ihr Zielpublikum? Dass diese Einteilung zum Teil willkürlich und irreführend ist, zeigen Fernsehzeitschriften. So werden zum Beispiel die Gilmore Girls seit Jahren als „Familien-„ oder „Frauenserie“ betitelt und lassen den Zuschauer gleich an Serien wie „Eine himmlische Familie“ oder „Desperate Housewives“ (nicht, dass diese Serien im Geringsten etwas miteinander zu tun hätten) denken.
Die Gilmore Girls, das sind hauptsächlich Lorelai und Rory Gilmore. Ihre eher ungewöhnliche Mutter-Tochter-Beziehung ist Dreh und –Angelpunkt der ganzen Serie, deren 7 Staffeln zwischen 2000 und 2007 in Amerika gedreht und seit 2004 in Deutschland auf VOX ausgestrahlt werden. Noch heute werden die Staffeln dort regelmäßig im Vor- und Nachmittagsprogramm wiederholt.
Lorelai Gilmore stammt aus einer wohlhabenden Familie aus Connecticut. Mit 16 wird sie schwanger, zieht von zuhause aus und steht von nun an auf eigenen Beinen. Lorelai ist zu Beginn der 1. Staffel Anfang 30 und das Paradebeispiel einer ehrgeizigen, emanzipierten „Powerfrau“. Trotz ihres Daseins als junge alleinerziehende Mutter hat sie es mit ihrer liebenswürdig durchgeknallten Art geschafft, sich als Geschäftsführerin eines Hotels eine eigene Existenz aufzubauen. Auch ihre Tochter Rory, die eigentlich ebenfalls Lorelai heißt, ist inzwischen ein Teenager und steht ihrer Mutter in Sachen Powerfrau in nichts nach, wenn auch auf ihre ganz eigene Art. Rory ist eine Vorzeigetochter, ein intelligentes, belesenes Mädchen, das im Laufe der Serie zunächst die Privatschule Chilton, später die Eliteuniversität Yale besucht. Die beiden leben in der fiktiven Kleinstadt Stars Hollow in Neuengland, gemeinsam mit einem bunten Völkchen aus einigen der skurrilsten Gestalten, die man in einer Fernseh-Serie je gesehen hat. So verschieden Lorelai und Rory sind, haben Sie doch so viele Gemeinsamkeiten, dass sie eher als beste Freundinnen denn als Mutter und Tochter durchgehen. Die beiden machen Alles gemeinsam und reden viel, schnell und über Alles; Liebe und Männer sind dabei natürlich (auch) ein wichtiges Thema, genauso wie Schuhe und Kleidung. Vor allem aber zeichnen sich die blitzschnellen Dialoge durch ihren Wortwitz, Sarkasmus und die unzähligen Zitate an die (Pop)Kultur aus. Und besonders dadurch stechen für mich die Gilmore Girls aus ihrem Genre heraus. Dank Rory’s breitgefächertem Interesse für Literatur werden Namen und Werke von Shakespeare und Rilke über Jane Austen bis hin zu Franz Kafka oder James Joyce immer wieder in die Handlung eingebunden. Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer hat einmal sogar einen Cameo-Auftritt und gibt dieser Folge den verheißungsvollen Namen „Norman Mailer, I’m pregnant“. Vor allem Rory`s bester Freundin Lane hingegen haben wir Dialoge wie diesen zu verdanken:
Rory: Ein schöner Song. Er macht mich schwermütig.
Lane: Schwermütig wie bei Joy Division oder Nick Cave oder Robert Smith?
Rory: Johnny Cash trifft es eher.
Immerhin ist sie selbst Schlagzeugerin in der Band „Hep Alien“, in der daneben unter anderem Gil (Sebastian Bach), früheres Mitglied von Skid Row, an der Gitarre steht, an ihrem Geburtstag treten The Shins auf und ihre CD-Sammlung und ihr Wissen über Musik verschiedenster Genres übersteigt das eines jeden Durchschnittsmusikfans meilenweit. Die „Gilmore Girls“ sind voller Intertextualität und spielen mit ihrem Wissen über Popkultur, derer sie selbst eigentlich Teil sind. Nicht umsonst sitzen Lorelai und Rory am liebsten vorm Fernseher oder schauen sich im Kino Filme an. Einem Menschen, der Casablanca, China Town oder Bonny und Clyde nicht kennt, gebührt Mitleid, deswegen wird er von Lorelai bei einem Videoabend selbstredend in ihre Klassiker eingeführt. Nur so kann er mithalten, wenn Lorelai ihren Freund mit Norman aus Psycho vergleicht oder Rory sich selbst als Ponyboy bezeichnet. All diese popkulturellen Anspielungen zu verstehen, fordert natürlich auch vom Zuschauer, genauso viele Filme gesehen, Bücher gelesen und Musik gehört zu haben wie die beiden. Die Gilmore Girls verlangen nach einem Publikum, das ein Wissen über Manolo Blahnik hinaus hat.
Daneben findet man außerdem immer wieder Querverweise auf Politik und Geschichte, sozialen Unterschiede oder aktuelle Geschehnisse. Nicht nur, dass Präsidenten, sehr gerne auch die Deutschen, erwähnt werden - Am Ende der finalen Staffel wird Rory sogar einen gewissen Präsidentschaftskandidaten namens Obama als Journalistin auf seiner Wahlkampagnentour begleiten. Und selbst das fiktive Stars Hollow scheint als Spiegelbild einer amerikanischen Gesellschaft zu fungieren. Hier lebt ein Haufen wohl eher liberaler Leute, die doch einen republikanischen Bürgermeister an der Spitze haben. Dieser aber kann von niemandem so wirklich ernst genommen werden kann, wenn er bei einer der zahlreichen Stadtversammlungen zum Beispiel eine Abstimmung über die Beziehung zwischen Lorelai und dem Diner-Besitzer Luke beantragt. Auch der Konflikt zwischen Lorelai und ihren Eltern spielt eine zentrale Rolle. Die erzkonservative, aristokratische Welt von Emily und Richard Gilmore, herrlich überspitzt dargestellt von Kelly Bishop und Edward Herrmann, steht im Gegensatz zu Lorelai‘s selbstgewähltem Leben im „Arbeitermilieu“. Beim allwöchentlichen Freitagabenddinner führt das immer wieder zu Diskussionen und Streitereien. Besonders Emily, die mindestens genauso bissig und wortgewandt kommentiert wie ihre Tochter, stößt sich immer wieder an dem Frauenbild, dass Lorelai verkörpert.
Natürlich kann man der Serie einen gewissen Hang zum Kitsch vorwerfen, angefangen bei Äußerlichkeiten, wie dem Hotel, das Lorelai gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sooki leitet, das nur so vor Blümchenmustern, Spitzendecken und selbstgebackenen Muffins strotzt. Auch das Kleinstadtidyll Stars Hollow ist voll von zuckersüßen Details mit all den niedlichen Häusern, der harmonischen Gemeinschaft, einem stadteigenen Troubadour, den entzückenden Festchen oder dem perfekten Pulverschnee im Winter. Bei Rory und Lorelai scheint auf den ersten Blick alles perfekt zu sein, sie sind hübsch, klug und erfolgreich und haben ein enges und gutes Verhältnis zueinander, von dem die meisten Mütter und Töchter wohl nur träumen können. Sie verbringen ihre Tage am liebsten damit, in Luke’s Diner Kaffee zu trinken oder Filme zu schauen und haben trotzdem noch Zeit ein Hotel zu leiten oder ein erfolgreiches Studium abzuschließen. Und dabei stopfen sie sich auch noch Unmassen von Fastfood rein - in allen 7 Staffeln hat man Lorelai vielleicht einmal am Herd stehen sehen! Auch wenn da (auch angesichts ihrer fabelhaften Figuren) bei den Zuschauerinnen der Neid aufkommen mag, ist es fast unmöglich, die überdrehte Lorelai und die bezaubernde Rory nicht zu mögen, wenn sie beim alljährlichen „Schneemann-Wettbewerb“ eine Björk-Schneefrau bauen oder das Auto von Rory’s Exfreund mit gefüllten Eiern bewerfen.
Deswegen plädiere ich hiermit für eine neue Schublade: Alleinerziehende-Mutter-Tochter-Superwomen-Comedy-Kleinstadt-Serie-voll-Kaffee-Sarkasmus-und-Popkultur.
Schubladendenken ist nicht gut. Das hat inzwischen eigentlich jeder Mensch begriffen. Trotzdem, das Einteilen in Kategorien und die Zuschreibung von Etiketten vereinfacht Vieles. So ist es auch in der Literatur, der Musik und beim Film, und wird es vermutlich auch immer bleiben, seit kurzem haben ja sogar Männer und Frauen je ihre eigenen Sender. Wie sonst sollte der Rezipient aus dem unendlich große Angebot genau das finden, was zu ihm passt, und die Werbekunden ihr Zielpublikum? Dass diese Einteilung zum Teil willkürlich und irreführend ist, zeigen Fernsehzeitschriften. So werden zum Beispiel die Gilmore Girls seit Jahren als „Familien-„ oder „Frauenserie“ betitelt und lassen den Zuschauer gleich an Serien wie „Eine himmlische Familie“ oder „Desperate Housewives“ (nicht, dass diese Serien im Geringsten etwas miteinander zu tun hätten) denken.
Die Gilmore Girls, das sind hauptsächlich Lorelai und Rory Gilmore. Ihre eher ungewöhnliche Mutter-Tochter-Beziehung ist Dreh und –Angelpunkt der ganzen Serie, deren 7 Staffeln zwischen 2000 und 2007 in Amerika gedreht und seit 2004 in Deutschland auf VOX ausgestrahlt werden. Noch heute werden die Staffeln dort regelmäßig im Vor- und Nachmittagsprogramm wiederholt.
Lorelai Gilmore stammt aus einer wohlhabenden Familie aus Connecticut. Mit 16 wird sie schwanger, zieht von zuhause aus und steht von nun an auf eigenen Beinen. Lorelai ist zu Beginn der 1. Staffel Anfang 30 und das Paradebeispiel einer ehrgeizigen, emanzipierten „Powerfrau“. Trotz ihres Daseins als junge alleinerziehende Mutter hat sie es mit ihrer liebenswürdig durchgeknallten Art geschafft, sich als Geschäftsführerin eines Hotels eine eigene Existenz aufzubauen. Auch ihre Tochter Rory, die eigentlich ebenfalls Lorelai heißt, ist inzwischen ein Teenager und steht ihrer Mutter in Sachen Powerfrau in nichts nach, wenn auch auf ihre ganz eigene Art. Rory ist eine Vorzeigetochter, ein intelligentes, belesenes Mädchen, das im Laufe der Serie zunächst die Privatschule Chilton, später die Eliteuniversität Yale besucht. Die beiden leben in der fiktiven Kleinstadt Stars Hollow in Neuengland, gemeinsam mit einem bunten Völkchen aus einigen der skurrilsten Gestalten, die man in einer Fernseh-Serie je gesehen hat. So verschieden Lorelai und Rory sind, haben Sie doch so viele Gemeinsamkeiten, dass sie eher als beste Freundinnen denn als Mutter und Tochter durchgehen. Die beiden machen Alles gemeinsam und reden viel, schnell und über Alles; Liebe und Männer sind dabei natürlich (auch) ein wichtiges Thema, genauso wie Schuhe und Kleidung. Vor allem aber zeichnen sich die blitzschnellen Dialoge durch ihren Wortwitz, Sarkasmus und die unzähligen Zitate an die (Pop)Kultur aus. Und besonders dadurch stechen für mich die Gilmore Girls aus ihrem Genre heraus. Dank Rory’s breitgefächertem Interesse für Literatur werden Namen und Werke von Shakespeare und Rilke über Jane Austen bis hin zu Franz Kafka oder James Joyce immer wieder in die Handlung eingebunden. Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer hat einmal sogar einen Cameo-Auftritt und gibt dieser Folge den verheißungsvollen Namen „Norman Mailer, I’m pregnant“. Vor allem Rory`s bester Freundin Lane hingegen haben wir Dialoge wie diesen zu verdanken:
Rory: Ein schöner Song. Er macht mich schwermütig.
Lane: Schwermütig wie bei Joy Division oder Nick Cave oder Robert Smith?
Rory: Johnny Cash trifft es eher.
Immerhin ist sie selbst Schlagzeugerin in der Band „Hep Alien“, in der daneben unter anderem Gil (Sebastian Bach), früheres Mitglied von Skid Row, an der Gitarre steht, an ihrem Geburtstag treten The Shins auf und ihre CD-Sammlung und ihr Wissen über Musik verschiedenster Genres übersteigt das eines jeden Durchschnittsmusikfans meilenweit. Die „Gilmore Girls“ sind voller Intertextualität und spielen mit ihrem Wissen über Popkultur, derer sie selbst eigentlich Teil sind. Nicht umsonst sitzen Lorelai und Rory am liebsten vorm Fernseher oder schauen sich im Kino Filme an. Einem Menschen, der Casablanca, China Town oder Bonny und Clyde nicht kennt, gebührt Mitleid, deswegen wird er von Lorelai bei einem Videoabend selbstredend in ihre Klassiker eingeführt. Nur so kann er mithalten, wenn Lorelai ihren Freund mit Norman aus Psycho vergleicht oder Rory sich selbst als Ponyboy bezeichnet. All diese popkulturellen Anspielungen zu verstehen, fordert natürlich auch vom Zuschauer, genauso viele Filme gesehen, Bücher gelesen und Musik gehört zu haben wie die beiden. Die Gilmore Girls verlangen nach einem Publikum, das ein Wissen über Manolo Blahnik hinaus hat.
Daneben findet man außerdem immer wieder Querverweise auf Politik und Geschichte, sozialen Unterschiede oder aktuelle Geschehnisse. Nicht nur, dass Präsidenten, sehr gerne auch die Deutschen, erwähnt werden - Am Ende der finalen Staffel wird Rory sogar einen gewissen Präsidentschaftskandidaten namens Obama als Journalistin auf seiner Wahlkampagnentour begleiten. Und selbst das fiktive Stars Hollow scheint als Spiegelbild einer amerikanischen Gesellschaft zu fungieren. Hier lebt ein Haufen wohl eher liberaler Leute, die doch einen republikanischen Bürgermeister an der Spitze haben. Dieser aber kann von niemandem so wirklich ernst genommen werden kann, wenn er bei einer der zahlreichen Stadtversammlungen zum Beispiel eine Abstimmung über die Beziehung zwischen Lorelai und dem Diner-Besitzer Luke beantragt. Auch der Konflikt zwischen Lorelai und ihren Eltern spielt eine zentrale Rolle. Die erzkonservative, aristokratische Welt von Emily und Richard Gilmore, herrlich überspitzt dargestellt von Kelly Bishop und Edward Herrmann, steht im Gegensatz zu Lorelai‘s selbstgewähltem Leben im „Arbeitermilieu“. Beim allwöchentlichen Freitagabenddinner führt das immer wieder zu Diskussionen und Streitereien. Besonders Emily, die mindestens genauso bissig und wortgewandt kommentiert wie ihre Tochter, stößt sich immer wieder an dem Frauenbild, dass Lorelai verkörpert.
Natürlich kann man der Serie einen gewissen Hang zum Kitsch vorwerfen, angefangen bei Äußerlichkeiten, wie dem Hotel, das Lorelai gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sooki leitet, das nur so vor Blümchenmustern, Spitzendecken und selbstgebackenen Muffins strotzt. Auch das Kleinstadtidyll Stars Hollow ist voll von zuckersüßen Details mit all den niedlichen Häusern, der harmonischen Gemeinschaft, einem stadteigenen Troubadour, den entzückenden Festchen oder dem perfekten Pulverschnee im Winter. Bei Rory und Lorelai scheint auf den ersten Blick alles perfekt zu sein, sie sind hübsch, klug und erfolgreich und haben ein enges und gutes Verhältnis zueinander, von dem die meisten Mütter und Töchter wohl nur träumen können. Sie verbringen ihre Tage am liebsten damit, in Luke’s Diner Kaffee zu trinken oder Filme zu schauen und haben trotzdem noch Zeit ein Hotel zu leiten oder ein erfolgreiches Studium abzuschließen. Und dabei stopfen sie sich auch noch Unmassen von Fastfood rein - in allen 7 Staffeln hat man Lorelai vielleicht einmal am Herd stehen sehen! Auch wenn da (auch angesichts ihrer fabelhaften Figuren) bei den Zuschauerinnen der Neid aufkommen mag, ist es fast unmöglich, die überdrehte Lorelai und die bezaubernde Rory nicht zu mögen, wenn sie beim alljährlichen „Schneemann-Wettbewerb“ eine Björk-Schneefrau bauen oder das Auto von Rory’s Exfreund mit gefüllten Eiern bewerfen.
Deswegen plädiere ich hiermit für eine neue Schublade: Alleinerziehende-Mutter-Tochter-Superwomen-Comedy-Kleinstadt-Serie-voll-Kaffee-Sarkasmus-und-Popkultur.
Super Kolumne. =) Dem kan man nichts hinzufügen, sehr gut gemacht, trotz einigen Schreibfehlern, bei denen man aber ein Auge zudrücken kann.
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