TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 7. Februar 2011

The Pacific: Heldentum in Serie

von Bastian Zieglgruber

In der Nacht zum 30. August fand in Los Angeles zum 62. Mal die Verleihung des US-Fernsehpreises Emmy statt. Die von Steven Spielberg und Tom Hanks erdachte und produzierte Kriegsserie The Pacific heimste dabei den Preis für die beste Miniserie ein und konnte auch noch etliche Nebenkategorien für sich entscheiden. Eine gute Gelegenheit also, die momentan mit bescheidenem Erfolg auf kabel 1 laufende zehnteilige Serie genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Pazifikinsel Guadalcanal im August 1942: Dicht zusammengedrängt warten die Soldaten des 1. US-Marineregiments nervös auf den Alles entscheidenden Moment, die Öffnung der Frontklappe ihres kleinen Landungsbootes und die anschließende Erstürmung des Strandes. Sofort fühlt man sich an bereits Gesehenes erinnert, so sehr haben sich die Bilder aus Spielbergs Der Soldat James Ryan in sein filmisches Gedächtnis eingenistet. Doch erst einmal kommt es anders. Der Strand ist leer, eine Gruppe amerikanischer Soldaten nimmt ihre Kameraden in Empfang, keine Spur vom japanischen Feind – bis in der Nacht die Kriegs-Hölle über die jungen Soldaten hereinbricht. Und für die nächste knappe Stunde der ersten zwei als Doppelfolge konzipierten Episoden von The Pacific wird klar: Die Serie steht der Mensch- und Materialschlacht des Kinospektakels um Private Ryan in Sachen schonungsloser Gewaltdarstellung und kaum zu ertragender Bilderbrutalität in nichts nach. Patronendurchsiebte Soldaten, zerplatzende Körper, leichenübersäte Strände und sonstige Grausamkeiten sollen dem Zuschauer ein möglichst authentisches Bild eines Krieges vermitteln.
Spielberg und Hanks wenden dabei bereits zur Genüge in Der Soldat James Ryan und der ebenfalls gemeinsam produzierten Vorgängerserie Band of Brothers erprobte dramaturgische und ästhetische Mittel an. Einen Großteil der Sendezeit kauert der Zuschauer neben seinen Kameraden der US-Marine in unübersichtlichen Schützengräben, wagt wackelige Handkamerablicke über die Kante des Grabens, geht angesichts der unzählbaren durch die Luft zischenden Maschinengewehrsalven schnell wieder in Deckung, um dann doch in absehbarer Regelmäßigkeit durch heftige Gewaltexzesse aus seiner Lauerstellung gerissen zu werden. Näher geht nicht, so muss der Krieg gewesen sein! Haltet durch! In Deckung!
Dass das Ganze nur wenig mit richtigem Krieg zu tun hat und auch ansonsten nur äußerst bedingt dem vorgeschobenen geschichtlichen Aufklärungsanspruch gerecht wird, mag man angesichts des gezeigten Spektakels leider all zu gerne hinten anstellen.
The Pacific soll - wie jede andere Hollywood- oder Fernsehproduktion auch - in erster Linie ordentlich Profit machen. Immerhin müssen die rund 150 Millionen US-Dollar Produktionskosten refinanziert werden. Die zahlt auch kein Hanks oder Spielberg gerne drauf - selbst wenn es sich angeblich um ein Herzensprojekt der beiden Kriegsspezis handelt. Schließlich hätte man den amerikanischen Veteranen und Helden des Krieges im Pazifik nie ausreichend Respekt gezollt.
Die Serie soll also einerseits den durchaus ambitionierten Absichten des Produzentenduos einer möglichst authentischen Geschichtsstunde gerecht werden, andererseits aber vor allem richtig viel Geld machen und ein möglichst breites Publikum bedienen – das ist zunächst einmal US-amerikanisch und will in erster Linie unterhalten werden. Hieraus ergibt sich schließlich die Krux für The Pacific, an der auch schon Band of Brothers, Der Soldat James Ryan und etliche andere Kriegsfilme mehr oder weniger offensichtlich scheiterten. Der Krieg und seine Helden werden zum amerikanisierten Spektakel, die Kriegsmaschinerie mit all ihren Grausamkeiten zu einem kommerziellen Produkt mit entsprechender Vermarktungskette und einer möglichst breiten Abnehmerschaft. Und die ist, zumindest was Krieg betriff, äußerst anspruchsvoll und alles andere als unerfahren. Die Zuschauer kennen die seit Jahrzehnten präsenten filmischen Codes und die Ästhetik des Krieges aus unzähligen Kinofilmen, Fernsehproduktionen und Videospielen und wissen, wie ein Schlachtengemälde a la James Ryan auszusehen hat. Man erwartet das große Spektakel, aufwändig inszenierte Schlachten und drastische Metzelszenen. Und man will heutzutage vor allem möglichst nahe am Geschehen sein, den Krieg hautnah neben seinen virtuellen Videospiel- oder Fernseh-Kameraden erleben und wohl auch seine Gelüste an den popkulturell längst einverleibten Schreckensbildern des Krieges und dumpfer Gewaltdarstellung stillen. The Pacific erfüllt all diese Erwartungen mit Fleiß und kann sich, was die modern inszenierte, publikumstaugliche Ästhetisierung von Krieg und Gewalt betrifft, leicht mit seinem großen Bruder, der Schwester-Serie und anderen Filmen messen lassen. Hier ist Gewalt nicht das oftmals rechtfertigend propagierte Instrument zur Abschreckung und Aufklärung, sondern ein effektives Mittel zum Zweck der erfolgreichen Vermarktung. Die Produzenten wissen offenbar, was die Konsumenten sehen wollen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den gezeigten Bildern oder gar eine kritische Hinterfragung der Kriegsästhetik findet nicht statt. Der Zuschauer soll nicht an den Bildern und der dargestellten Quasi-Realität zweifeln. Das würde wohl dem ästhetischen, kommerziellen und letztendlich auch dem ideologischen Konzept der Serie zu sehr widersprechen.
Stichwort Ideologie: The Pacific ist ein amerikanisches Produkt mit amerikanischen Helden und einem amerikanischen Blick auf den Pazifikkrieg. Das ist vermutlich dem in der Vermarktungskette vorgezogenen amerikanischen Markt und der wohl längst im kollektiven amerikanischen Bewusstsein verinnerlichten Tendenz zur patriotischen Darstellung amerikanischer Kriegseinsätze und Geschichte geschuldet. Zwar verfällt die Serie dabei nie in einen platten, ungeschminkten US-Propaganda-Patriotismus im Stile von Pearl Harbor, die Ziele sind trotzdem klar erkennbar – es gilt den Helden und Taten der „Greatest Generation“ zu huldigen. So bleiben trotz all dem Anspruch auf Realismus und Authentizität die „guten“ Soldaten stets eindeutig von den „bösen“ unterscheidbar. Ausschließlich das amerikanische Soldatenkollektiv bietet dem Zuschauer Möglichkeiten zur Identifikation und emotionaler Anteilnahme, der japanische Feind bleibt schon allein aufgrund der einseitigen Erzählperspektive unmissverständlich blass. Wem genau man von den „Good Guys“ die Daumen drückt, bleibt aber leider ebenfalls im Dunkeln. Mir zumindest gelang es nicht, Ordnung in die chaotische Inszenierung zu bringen, Hauptfiguren von Nebenfiguren von Statisten zu trennen. Entscheidend scheint sowieso das Regiment als Ganzes, das Kollektiv - je brüderlicher, heldenhafter, soldatischer, desto besser. Angesichts der wirklich lebensgefährlichen Lage auf Guadalcanal verzeiht man den Helden dann auch den ein oder anderen traurigen und verzweifelten Blick in die Kamera, wenn ein Kamerad zerbombt, erschossen oder im Dschungel zu Tode gefoltert wird. Zu Hause in den USA jedenfalls wartet am Ende von Episode zwei schon der nächste namenlose Rekrut, endlich in den Krieg ziehen zu dürfen, die entstandene Lücke zu schließen und den ideologisch fragwürdigen Unterbau der Serie zu bestätigen. Acht weitere Folgen muss das Helden-Material schließlich für den Krieg in Serie noch ausreichen.
So bestimmt The Pacific leider durchgehend der fade Beigeschmack einer kühl kalkulierten, professionell vorgegaukelten Kriegs-Realität mit stark amerikanisierter Geschichtswahrnehmung und unterschwelliger kollektiver Heldenverehrung. Gelernt hat man irgendwie auch wenig. Die von Spielberg und Hanks versprochenen geschichtlichen Hintergründe werden nur kurz angerissen, der Sinn des Einsatzes des 1. US-Marineregiments bleibt wohl den meisten Zuschauern mit durchschnittlichen Geschichtskenntnissen ein Rätsel. Das ist ärgerlich, müsste doch gerade das Format einer fast zehnstündigen Serie es erlauben, einen umfassenderen und vielschichtigeren Blick auf den amerikanisch-japanischen Pazifik-Krieg und dessen Hintergründe zu werfen. Wo Kinofilme wie Der Soldat James Ryan oder der ebenfalls die Schlacht auf Guadalcanal behandelnde Der schmale Grat aufgrund zeitlicher Beschränkungen an ihre Grenzen stoßen und nur kleine Einblicke geben können, könnten Serien wie Band of Brothers oder eben The Pacific ein differenzierteres, heterogeneres Bild von Krieg und Geschichte vermitteln und dem Zuschauer neben intellektuellen Anregungen auch die nötige Zeit geben, das Gezeigte zu ordnen. Diese Chance haben Spielberg und Hanks mit The Pacific größtenteils verpasst. Schade. Krieg ist anders.

2 Kommentare:

  1. "Krieg ist anders?"
    Durch Zufall gelangte ich auf Ihren Blog.
    Wer war von Ihnen schon in einem, um dies beurteilen zu können? Ich tippe auf Keiner!
    Die Verherrlichung der Charaktere in der Serie ist unkritisch. Zugleich werden aber versch. Charaktere ausführlich dargestellt. Es wird auch gezeigt, daß Jeder mit dem Erlebten anders zurecht kommt- oder garnicht.
    Der Feind wird bis auf wenige Ausnahmen gesichtslos dargestellt. Aber wie läuft es denn sonst ab? Ist Stereotypisierung nicht generell unpersönlich? Stützt das gerade nicht ein Feindbild? Genau das versuchen doch die Produzenten zu zeigen: die Soldaten laufen einem konstruierten Feind hinterher, dessen Gesicht, den sie persönlich, nicht kennen.
    Läuft diese Feindbildkonstruktion denn jemals in der Geschichte anders ab?
    Zum Aspekt "Patronenzerfetzt": Das ist technisch überhaupt nicht möglich, weil es Geschosse sind, die das Rohr frontal verlassen.
    Der Film ist nunmal keine Geschichtsdoku. Das sollten Sie nicht vergessen.
    In Dtld existieren zudem genug verherrlichende Materialien zu diesem Thema. Es existieren immer Interessenvertreter, die einen eigenen Grund haben, solche Phänomene zu ihren Gunsten darzustellen, die dann von der Masse aufgrund falschen Bewusstseins abgekauft werden und sie zu für die Interessenhaber positiven Handlungen umpolen. Das läuft heute in den alltäglichen Medien in Dtld hinsichtlich eines Auslandseinsatzes nicht anders. Kritische Stimmen sind da ebenso selten.

    Schönen Abend!

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  2. Ich mag mich jetzt nicht irgendwo registrieren müssen, um hier eine kurze Bemerkung posten zu können, daher anonym.
    Wer grundsätzlich ein Problem mit Amerika hat, sollte Rezensionen über ebensolche tunlichst vermeiden.
    Im Mittelteil der Rezi lassen Sie sich überhaupt nicht mehr über die Serie aus, sondern nur noch über die Mechanismen von Hollywood. Das will niemand wissen. Die Leute wollen wissen, wie die Serie ist, und nicht, was Sie von der Marketingmaschinerie dahinter halten.
    Überdies hat Sie dieser ganz offensichtlich von Ablehnung getrübte Blick mit Volldampf am Thema vorbeischiessen lassen.
    Am Ende hinterlässt mich der Artikel genauso wie die Serie es Ihrer Ansicht nach getan hat: Ich habe nichts gelernt.

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