TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 6. Februar 2012

Music vs. Reality

von Anika Julien


MTV ist ein US-amerikanischer TV-Sender und wurde am 1. August 1981 gegründet. Damals war das erklärte Ziel, ununterbrochen Rockmusik-Videos auszustrahlen. Drei Jahre nach der Gründung hatte der Sender schon 22 Millionen Zuschauer zwischen 12 und 34, ihrer Zielgruppe. MTV war damals der einzige Sender seiner Art.
Von einem 24-stündigen Musiksender wandelte sich MTV zu einem Fernsehersender, der zwar noch Musik spielt, aber zu Zeiten, an denen der größte Teil ihrer Zielgruppe entweder schon oder noch schläft oder in der Schule ist. Zu den Zeiten, an denen ihre Zielgruppe am ehesten einschaltet – nach der Schule und vor dem Abendessen – ist das Programm voll mit diversen Reality Shows; die viel diskutierte Reality Show Jersey Shore läuft bald in der vierten Staffel an. Bei Jersey Shore wird verfolgt, wie 8 Italoamerikaner (genannt Guido (Traummann) und Guidette (Traumfrau)) zusammen nach Jersey Shore in New Jersey in den Urlaub fahren. Was sich in ihrem Ferienhaus abspielt, ist nicht ganz jugendfrei: es wird stark geflucht (unter anderem auch rassistische Vorwürfe), Unmengen an Alkohol konsumiert und querbeet miteinander geschlafen. Was ist der Reiz an einer Serie, die eine Gruppe ungebildete und pöbelnde Mittzwanziger im Urlaub filmt, wie es bei Jersey Shore der Fall ist?

Ein möglicher Grund dafür, dass es die erfolgreichste Serie ist, die MTV in den USA je ausgestrahlt hat, ist die geringe Aufmerksamkeitsspanne, die Jugendliche oft haben. Vermutlich könnten sich viele Teenager keine volle Stunde mehr vor den Fernseher setzen, wenn sie „nur“ mit Musikvideos konfrontiert würden. Lieber vergnügen sie sich mit den vulgären Geschehnissen in Jersey Shore. Man könnte auch meinen, dass die Amerikanisierung die deutsche Jugend immer noch fasziniert und sie deswegen sehen wollen, wie die amerikanische Jugend ihren Alltag verbringt. Ob dies auf MTV in den diversen Serien und Reality-Sendungen wahrheitsgetreu dargestellt wird, ist eine andere Frage. Bei Jersey Shore zumindest kann man nur hoffen, dass es sich hier eher um eine von den Produzenten angestiftete Ausnahmesituation des Jugendverhaltens handelt.
Ich finde Jersey Shore schlimm. Die Serie gibt ein in Klischees ertränktes Bild von Italoamerikanern, was in den USA für starke Diskussionen sorgte. Außerdem haben die Laien der Serie, vor allem weil sie in den USA so erfolgreich ist, eine immense Vorbildfunktion, obwohl sie die schlimmsten aller Vorbilder für die untere Hälfte der Zielgruppe, die 12- bis 18-Jährigen, darstellen. Ich bin froh, dass sich die Popularität dieser Serie nicht in Deutschland manifestiert hat. Anstatt Jersey Shore und ähnlichen Reality-Serien, wünsche ich mir einfach das erklärte Ziel von MTV zurück, wie es vor 30 Jahren noch hieß: „Devoted to presenting rock music videos around the clock“.

1 Kommentar:

  1. Ich finde dieser Artikel verraet eine ungewoehnliche Gabe von gut fundierter Analytik im besten Sinne, besonders weil sie von einem jungen Menschen kommt, deren Generation von MTV gezielt angesprochen wird.

    Ich stimme ueberein: MTV ist eine Organisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, jungen Menschen das Schlimmste Verhalten ihrer Generation als nachahmenswert zu praesentieren.Traditionelle Werte werden verunglimpft und belaechelt.

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