von Tanja Ransom
Zuletzt ist es zwar eher ruhig um Ungeklärte Morde – dem Täter auf der Spur geworden, doch trotzdem laufen immer wieder Wiederholungen älterer Folgen im Late-Night-Programm von RTL II. Das Format entstand in den Jahren 2002 und 2003, wobei vereinzelte Sondersendungen ausgestrahlt wurden - zuletzt eine Spezialausgabe am 20.11.11 zu den sogenannten „Dönermorden“. Die Sendung erinnert an das bekannte Vorbild Akte XY… ungelöst, das seit 1963 im ZDF läuft.
Das Prinzip von Ungeklärte Morde ist simpel: Gezeigt werden pro Folge drei ungeklärte Morde, worauf schon im Titel des Formats verwiesen wird. Zunächst werden die einzelnen Fälle von einem Kommentator vorgestellt. Oftmals sind auch Fotos des Tatorts oder der Opfer zu sehen. Interviews mit Ermittlern und Gerichtsmedizinern sollen Aufschluss und wichtige Hintergrundinformationen liefern. Ein möglicher Tathergang wird nachgestellt. Abschließend werden Ort und Datum der Tat genannt und der Zuschauer wird zur Mithilfe aufgerufen. Verfechter von Ungeklärte Morde betonen, dass die Sendung eine wichtige Funktion einnimmt: ältere Mordfälle gerieten durch sie nicht in Vergessenheit. Für Angehörige stelle sie Hoffnung auf Gerechtigkeit dar. An dieser Stelle muss darauf verwiesen werden, dass in vereinzelten Fällen tatsächlich Zuschaueranrufe eine Hilfe für die polizeilichen Ermittlungen dargestellt haben. Im Fall der 20-jähirgen Studentin Seread O’Neill wurde der Täter zwar durch DNA-Untersuchungen ermittelt, jedoch stammten laut Polizeistelle München einige wichtige Hinweise von Zuschauern des RTL II-Formats.
Die Rezipienten können also auch selbst aktiv werden und sich mit Hinweisen entweder an die Zuschauerhotline der Sendung wenden oder über das Internet Kontakt mit den zuständigen Behörden aufnehmen. Somit erhält der Zuschauer den Eindruck, an der Aufklärung mitwirken zu können und „dem Täter auf der Spur“ zu sein. Ein weiterer Grund, weshalb ein derartiges Format interessant für Rezipienten sein kann ist, dass es sich bei den Fällen um wahre Begebenheiten handelt. Man sieht das echte, dramatische Schicksal anderer Personen. So wird Mitgefühl oder auch die Hoffnung, dass der Fall doch noch geklärt wird, erzeugt. Nachgestellte Szenen und Gespräche mit verzweifelten, trauernden Angehörigen der oder des Verstorbenen steigern Dramatik und Intensität der Sendung. Auf diese Weise wird die Thematik Tod sehr emotional und rätselhaft dargestellt. Ungeklärte Morde wird von RTL II zum Genre „Dokureihe“ hinzugezählt. Jedoch ist diese Kategorisierung fraglich, betrachtet man die Darstellung der Kriminalfälle. Die dramatische musikalische Untermalung zu Interviews und plakative Fallbezeichnungen wie „Der Mörder ist immer der Gärtner“, „Der mörderische Nachbar“ oder „Michael Pfeifer und die Nacht des Mordes“ zeigen, dass die Inszenierung von Mord eine wesentliche Rolle einnimmt. Dadurch wird der Eindruck bestärkt, dass Todesfälle und Verbrechen bewusst als unheimliche Unterhaltung präsentiert werden. Auch die makabere Werbung von RTL II für Ungeklärte Morde untermauert diese These. Zu sehen sind die für die Gerichtsmedizin typisch freiliegenden Füße einer abgedeckten Leiche.
Dürfen Medien auf diese Weise das Ableben eines Menschen thematisieren? Wo müssen Grenzen zur Pietätlosigkeit gezogen werden? Letztlich bleiben diese Fragen - wie auch die große Mehrheit der Fernsehmordfälle - ungeklärt.
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