TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 14. März 2012

„The Voice of Germany“ - Top oder Flop?

von Simone Graßler

Es ist mal wieder soweit: Ein neues Casting-Format versucht Deutschland zu erobern. Am 24. und 25. November 2011 wurden die ersten Folgen auf den Sendern Pro7 und Sat1 ausgestrahlt. Geworben wird mit der „größten Musikshow, die Deutschland je gesehen hat“, bei der „nur die Stimme zählt“. Wie so oft kommt es bei diesen Slogan zum déjà-vu-Erlebnis. Ähnliche Shows, wie zum Beispiel X-Factor von VOX, warben mit fast dem selben Ausspruch. Und auch über Deutschlands Grenzen hinaus ist „The Voice of Germany“ längst bekannt. Vorreiter waren die Niederlande im Jahr 2010 mit „The Voice of Holland“, gefolgt von inzwischen über 20 anderen Ländern.

Doch was hat diese Show, was andere angeblich nicht haben? In der Jury sitzen fünf bekannte Gesichter, wie Weltstar Nena, Soulsänger Xavier Naidoo, die beiden Frontmänner von The BossHoss und Rea Garvey, Leadsänger der Band Reamonn. Eigentlich nichts Neues also. Nena mimt die verständnisvolle warmherzige „Mutti“ und vertritt zusammen mit Naidoo, dem „Strengen“, die deutsche Seite. The BossHoss und Rea dagegen geben sich als lockere „Rocker“ und sprechen mehr auf Songs in englischer Sprache an. Und doch sind diese Coaches anders. Keine demütigen Kommentare a là Dieter Bohlen, kein Tränenvergießen, wie einst bei Bruce Darnell. Konstruktive Kritik und vor allem Respekt stehen hier an erster Stelle.

Das Konzept von „The Voice of Germany“ ist relativ simpel und doch anders als üblich. Die Jury-Mitglieder sitzen, so die gravierendste Neuerung, mit dem Rücken zur Bühne und sehen somit den Kandidaten während seiner Performance nicht. Im Folgenden hat jeder Sänger 90 Sekunden Zeit, die Vocal-Coaches allein mit seiner Stimme zu überzeugen. Findet ein Jury-Mitglied Gefallen daran, drückt es noch während des Liedes auf seinen Buzzer und der Stuhl dreht sich um, sodass nun auch ein optischer Eindruck gewonnen werden kann. Der Kandidat ist somit automatisch in dessen Team. Buzzern jedoch mehrere Coaches, so darf der Sänger entscheiden, mit wem er zusammenarbeiten möchte. In diesen sogenannten „Blind Auditions“ suchen sich die Jury-Mitglieder jeweils 16 Kandidaten aus. Danach stehen die Battles an, bei denen Stimme gegen Stimme zählt. Am Ende mündet das Ganze wie gewohnt in Live-Shows.

Somit finden in dem Format also einige Neuerungen statt, von denen meiner Meinung nach das Meiste recht positiv ist. Dennoch gibt es auch, wie bei vergleichbaren Shows, negative Seiten. Dazu gehören beispielsweise kleine Einspieler, die die zukünftigen Kandidaten zu Hause filmen, wenn sie die Nachricht erhalten, bei „The Voice of Germany“ dabei zu sein. Einfach nur überflüssig! Genauso die alten Leidensgeschichten über Krankheiten und soziales Umfeld. Zum Glück werden diese nicht, wie bei anderen Formaten üblich, vor der Jury ausgebreitet, um auf die Tränendrüsen zu drücken.

Ich war zunächst ziemlich skeptisch, ob diese Show wirklich so anders ist, wie die anderen. Und ich muss sagen: Ja! Bis auf die eben erwähnten Kleinigkeiten ist die Aufmachung absolut gelungen. Es stehen wirklich nur begabte Sängerinnen und Sänger auf der Bühne, die meist mit langjähriger Band- oder Musicalerfahrung aufwarten können. Alle anderen wurden in einem Vorab-Casting dankenswerter Weise schon mal aussortiert. Somit fällt das sonst oft unvermeidbare „Fremdschämen“ zum Glück weg. Als Gegenargument könnte man nun hervorbringen, dass genau dieser „Fremdschäm- Effekt“ ja hauptsächlich dazu beiträgt, dass solche Formate hohe Einschaltquoten haben. Doch diese Sendung hat das definitiv nicht nötig und richtet sich deshalb auch eher an Zuschauer, die Ahnung von Musik haben und guten Gesang statt mittelmäßiges „Gewinsel“ hören wollen. Auch das Durchschnittsalter ist deutlich gehoben im Vergleich mit „Deutschland sucht den Superstar“ zum Beispiel. Natürlich gibt es auch hier die 16-jährigen „Küken“.  Aber der Großteil der Kandidaten ist zwischen 25 und 40 Jahren alt, teilweise sogar schon über 50. Somit fließen deutlich weniger Tränen und das Niveau wird gehoben.

Alles in allem ist „The Voice of Germany“ für Zuschauer, die Freude an gutem Gesang haben durchaus empfehlenswert. Zwar gibt es kleinere Störfaktoren, wie beispielsweise das kindische „Gerangel“ der Coaches um die besten Stimmen, aber dennoch steht hier in erster Linie wirklich der Gesang im Vordergrund und nicht das Aussehen des Teilnehmers. Ob dies jedoch in der Folge so bleibt, oder ob nicht doch irgendwann das „Gesamtpaket“, also Stimme und Aussehen entscheidend wird, bleibt abzuwarten. Ich würde es mit auf jeden Fall wünschen, dass es endlich einmal eine sehenswerte Casting-Show im deutschen Fernsehen gibt. Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen.

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