TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 3. Juli 2017

Marco Polo: Game of Thrones in Fernost


von Quirin Hönig

Intrigen, Machtkämpfe und blutige Schlachten – klingt bekannt? Hier ist aber nicht von der gefeierten HBO-Serie Game of Thrones die Rede, sondern von der Netflix-Eigenproduktion Marco Polo aus dem Jahre 2014. Hier wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, um den Zuschauer in das China im 13. Jahrhundert zu entführen, an den Hof des legendären Kublai Khan. Obwohl ein historisch umstrittener Reise-Bericht nicht dasselbe wie eine Fantasy-Buchreihe ist, so kann man durchaus sagen, dass die Serie das gleiche Publikum ansprechen will wie auch Thrones.
Die Handlung folgt dem venezianischen Kaufmannssohn Marco Polo, welcher von seinem Vater in der Obhut des Großkhans zurückgelassen wird. Als Außenseiter in einer fremden Kultur muss Marco herausfinden, dass König Kublais Hof ein gefährlicher Ort ist und dass dessen Herrschaft von inneren wie auch äußeren Gefahren bedroht wird. So muss sich der Khan nicht den Chinesen der Song-Dynastie unter dem Kanzler Jia Sidao herumschlagen, sondern auch mit seinen eigenen mongolischen Untertanen, welche ihre traditionelle, nomadische Lebensart bedroht sehen. Obwohl die ersten drei Folgen etwas langatmig wirken, nimmt Marco Polo ab der vierten rasch an Fahrt auf und entwickelt eine spannende Handlung, mit überraschenden Wendungen und eindrucksvollen Höhepunkten zu den Staffel-Enden.
Die Charaktere sind insgesamt alle großartig gezeichnet mit eigenen Zielen, Motiven und tragischen Vergangenheiten. Keine Figur wirkt vollkommen schwarz oder weiß und man kann bei jenen, welche man anfänglich nicht mochte, sympathische Seiten finden. Lediglich der Antagonist der ersten Staffel, Jia Sidao, erfüllt schon arg das Klischee des bartzwirbelnden Bösewichts.
Die Schauspieler-Riege liefert durchgehend eine hervorragende Performance und hebt sich durch einen fast vollständigen asiatischen Cast deutlich von den sonstigen Serien westlicher Produzenten ab.
Die Reise ins China des 13. Jahrhunderts ist überzeugend inszeniert. Jede Szene ist mit großer Liebe zum Detail gestaltet und wunderbar musikalisch untermalt. Die Kämpfe sind, wenngleich auch etwas unrealistisch, hervorragend choreografiert. Hier wurde keine Mühe gescheut, um mit dem großen Vorbild Game of Thrones gleich zu ziehen. Allerdings hat das Nacheifern des HBO-Erfolges auch seine Schattenseiten. So übernimmt Marco Polo mit unnötigen Nacktszenen, einer Eskalation an Gewalt und mehreren eher verwirrenden Plot-Twists einige Fehler seines Vorbildes. Ebenfalls negativ anzumerken ist, dass der Protagonist – Marco Polo – die härteste Plot-Armor der Fernsehgeschichte hat. Er ist nie in wirklicher Gefahr, da sein historisches Vorbild seine Zeit am Hofe Kublai Khans überlebte und nach Italien zurückkehrte.
Alles in allem ist Marco Polo ein durchaus gelungenes, wunderschön gestaltetes History-Drama, das trotz seiner Schwächen durchaus unterhaltsam und sehenswert ist. Allerdings muss man sich leider mit den bereits erschienenen zwei Staffeln zufriedengeben, da die Serie letzten Herbst abgesetzt wurde. Obwohl sie eine der bisher aufwändigsten und teuersten Netflix-Produktion war, konnte sie den Erfolg von Game of Thrones nicht kopieren.

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