TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 13. Juli 2017

Germany’s Next Dramaqueen


von Stefanie Lederer

Schon seit mehr als 12 Staffeln versüßt Heidi Klum in unvergleichlich schriller Stimmlage den Zuschauern ihren Donnerstagabend um 20:15 Uhr mit ihrer Castingshow Germany’s Next Topmodel durch Phrasen wie „Und ihr wisst ja: Nur eine kann Germany‘s Next Topmodel werden“ oder „Es tut mir leid, ich habe heute leider kein Foto für dich“. Ihre Mission: jedes Jahr erneut die schönsten Mädchen Deutschlands zu finden und sie vom watschelnden Entlein zu einem grazilen Schwan in der Modeszene zu machen. Neben täglichen Zickereien, endlosen Heulmomenten und unzähligen Intrigen geht es für die Models darum, Woche für Woche neue Challenges, Castings und allem voran die verrücktesten Fotoshootings zu meistern – und alles natürlich zu Heidis Zufriedenheit. Gelingt das einem, erhält man von der Chefjurorin höchstpersönlich das Go für die nächste Runde. Neu ist, dass man die Möglichkeit hat im sogenannten „Shootout“ weiterzukommen, was im ersten Moment besser klingt als rauszufliegen. Doch auch in dieser Woche stehen zwei auserwählte Kontrahentinnen (diesmal Anh und Romina) im direkten Vergleich zueinander, worauf dann zum Schluss doch eine gehen muss.
Die Jury besteht diese Staffel neben Heidi Klum aus zwei weiteren Fashion-Profis. Der ursprünglich als Creative Director tätige Thomas Hayo, der seine blonde Jurykollegin schon seit der 6. Staffel begleitet und ihr mit Rat (natürlich nur, wenn die „Modelmama“ es gestattet) und vor allem mit Tat zur Seite steht, ist stolzer Leader des Modelteams Schwarz. Jedoch ist mit Jurykollegen Michael Michalsky nicht gut Kirschen essen, denn der polarisierende Modeschöpfer tut alles dafür, sein Team Weiß in bestem Licht dastehen zu lassen. Kein Casting bleibt aus, an dem der Designer nicht durch penetrante Art und Weise dem Kunden seine Models aufs Auge drücken will, um danach zu beteuern, es sei ganz allein die persönliche Entscheidung des Kunden gewesen und er sei derart stolz auf die Eigenleistung seiner Mädchen.
Auch liegt die Entscheidungskompetenz bei den wöchentlichen „Livewalks“ ausschließlich bei der Modelmama - nicht wie gewohnt bei der gesamten Jury - wobei man sich die Frage stellt, welche Funktion die beiden Männer letztendlich erfüllen sollen. So ist es in der letzten Folge die in der Modelvilla unbeliebte Sabine, für die man leider kein Foto hatte.
Heidi selbst nutzt ihre Stellung in der Sendung vollkommen aus: sie unterstützt die Models während des Fotoshootings bzw. versucht sie es mit vermeintlich motivierenden Phrasen wie beispielsweise am vergangenen Donnerstag. Céline, die kurz vorher den begehrten Venus Gillette-Job ergatterte, stellt sich trotz unüberwindbarer Angst vor dem Tauchen dem Unterwassershooting. Obwohl sie nach etlichen gescheiterten Versuchen länger als ein paar Sekunden ohne Luft auszukommen und sichtlich aufgelöst aufgeben will, findet Heidi stets empathische Worte: „Hab doch einfach Spaß dabei!“.
Reflektiert man die vergangenen Jahre der Sendung ist festzustellen, dass sich der Fokus der Show geändert hat: geht es in der ersten Staffel mit Lena Gercke noch mehr darum, einen Einblick in den Modelalltag und dessen Bewältigung zu schaffen, so fühlen sich die letzten Jahre GNTM doch mehr wie eine Soap an, bei der man stets erwartet, welches Drama sich als nächstes abspielen wird. Das spiegelt sich unter anderem auch im Werdegang der bisherigen Gewinnerinnen wider, die nur vereinzelt langfristig im Modelbusiness Fuß fassen konnten. Da denke ich zum Beispiel an die Siegerin von 2011, Jana Beller, die auch treuen Zuschauern nur mit ganz viel Erinnerungsvermögen ein Begriff ist. Sie war zwar kurz danach in den Medien präsent, schlicht aus dem Grund, dass bekannt wurde, sie sei aus dem Modelvertrag mit OneEINS , dessen Manager Heidi Klums Vater ist, bereits Wochen später wieder ausgestiegen. Es kommt mir so vor, als würden die Kandidatinnen grundsätzlich nach der Show von der Bildfläche der Medien verschwinden – könnte auch daran liegen, dass es unter so vielen Models, die es weltweit ins Business schaffen wollen, schwierig ist, herauszustechen und ein international angefragtes Gesicht zu werden. Obwohl Heidi und ihre Crew ständig betonen, wie sehr sie ihre Mädchen auf internationalen Laufstegen sehen, bleibt der Erfolg größtenteils aus. Dass es durchaus die eine oder andere Kandidatin gab, die, auch wenn nicht primär über das Modeln, sondern über Fernsehmoderation oder Youtube, nach der Teilnahme bei der Show in aller Munde blieb. Sara Nuru beispielsweise, die in der vierten Staffel als Gewinnerin hervorging, ist mittlerweile vermehrt als Vortragsrednerin und Moderatorin von z.B. der deutschen Übertragung der Oscar-Verleihung tätig. Letztendlich wird die Show trotz der genannten Aspekte seit Jahren immer wieder neu gedreht, da sie doch eine treue Fanbase mit sich zieht. Besonders Mädchen im Jungendalter – bei welchen auch ich mich nicht ausnehme – sorgen für eine gewinnbringende Einschaltquote der Sendung und bestätigen somit, dass sie mehr davon sehen möchten und das Format sie unterhält. Klar, der Entertainmentfaktor ist trotz des Bewusstseins über diese überspitzten Inszenierungen da, wenn nicht sogar dominierend. Könnte auch der Grund sein, warum ich mich trotzdem jeden Donnerstag erneut zur Primetime auf Pro7 mit meinen Freundinnen verabrede.

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