TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 19. Juli 2017

Hannibal


von Susanne Haspel  
   

(Quelle: http://2.bp.blogspot.com/-32yxAiz31jw/UscFz6TTfjI/AAAAAAAADEA/RlUQGDtGZW8/s1600/hannibal_2.jpg)

Hannibal. Der Titel der Serie. Das ist alles, was der Zuschauer zum Verständnis des Konzepts benötigt.
Egal, ob durch die wohl bekannteste Inkarnation von Anthony Hopkins in Das Schweigen der Lämmer, Brian Cox in Blutmond, die ursprünglichen Romane von Thomas Harris oder einfach nur durch ‚Allgemeinwissen‘: Der Name Hannibal Lecter wird bei jedem unverzüglich zu Assoziationen führen. Und mit genau diesen Assoziationen weiß diese Serie so gekonnt zu spielen.

Auf den ersten Blick scheint es sich nämlich nur um eine weitere Krimiserie zu handeln, bei der in jeder Folge ein neuer Fall behandelt wird. Jedoch wird dieses Ermittlerteam um die Verstärkung des zu dieser Zeit noch als Psychiater tätigen Dr. Lecters bereichert. Das Konzept ist aus ähnlichen Serien wie z. B. The Blacklist bekannt. Ein eigentlich nicht zur Polizei – in diesem Fall zum FBI – gehöriger Berater soll da zur Hilfe eilen, wo die dafür Ausgebildeten zu versagen scheinen. Wer könnte denn schon besser einem Serienkiller auf die Schliche kommen als ein Serienkiller? Wer jedoch auch nur ein gewisses Verständnis von Hannibals Charakter hat, kann sich wohl oder übel ausmalen, wer bei diesen Ermittlungen tatsächlich die Zügel in der Hand hält. Doch die Serie reizt es noch weiter aus.
Ein Fokus liegt auf dem Thema Essen. Selbstverständlich. Zahlreiche Szenen werden in jeder Folge dem Zuschauer präsentiert, die Hannibal bei der Zubereitung von Speisen zeigen, die man ansonsten nur in Gourmetrestaurants vorgesetzt bekommt. Kein blutiges Zerstückeln, keine mit Schuld befleckte Kleidung. Stattdessen steht er in blütenreinen Hemden in seiner Luxusküche und bereitet von klassischer Musik untermalt die vorzüglichsten Köstlichkeiten für seine Besucher zu, die diese anschließend genüsslich verspeisen.
Mehr wird dem Zuschauer nicht gezeigt. Aber mehr muss man auch nicht zeigen. Diese Bilder allein reichen vollkommen aus, um einem jeden Zuschauer trotzdem den Appetit vergehen zu lassen.

Auch die kriminellen Tätigkeiten von Hannibal an sich werden meist nur angedeutet. Eine vollkommen in Rot gekleidete Journalistin mit recht blasser Haut versucht sich als Patientin auszugeben und dadurch Hannibal als Psychiater Informationen zu entlocken. Sie wird augenblicklich durchschaut. Ein angespanntes Blickaustauschen zwischen ihr und Hannibal ist das letzte, was man von ihr in der Szene zu sehen bekommt. Ohne großen Übergang wird dem Zuschauer als nächstes das Bild von fein geschnittenem weißem Fleisch auf hochwertigem Geschirr vorgesetzt, das gerade mit einer tiefroten Soße übergossen wird. Alle Schlussfolgerungen werden der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen.

In diesem Fall übernimmt dabei Mads Mikkelsen die ikonische Rolle des Hannibal Lecters. Doch auch wenn ein Vergleich mit der Oscar-prämierten Performance von Anthony Hopkins nahezu unumgänglich ist, muss sich Mikkelsen sicher nicht verstecken. Genau wie Hopkins muss er nicht viel screen time für sich beanspruchen, um in seiner Rolle zu glänzen. Vom ersten Moment an braucht er nur kurz die Szene betreten, um alle Aufmerksamkeit augenblicklich auf sich ziehen zu können. Grund dafür ist eine elegante, zu gleich aber jedoch immer auch bedrohliche Ausstrahlung, die für Hannibal einfach unumgänglich und kennzeichnend ist. Wie auch Hopkins meistert Mikkelsen dies durchweg tadellos. Man ist sich durch seinen Gesichtsausdruck allein ständig bewusst, mit was für einem Monster man es hier eigentlich zu tun hat. Jedoch verkörpert er gleichzeitig einen geradezu vornehmen Charme, dem weder der Zuschauer noch die anderen Charaktere der Serie leicht entkommen können. Und findet man sich erst einmal in den Fängen von Hannibal, wird man diesen auch  nicht mehr entkommen können.

Nun könnte man meinen, dass dieses Wissen um die Identität von einem der Hauptantagonisten der Serie die Spannung und das Mitfiebern erheblich einschränken müssten. Dem ist jedoch keineswegs so. Hier ist klar der Weg das Ziel und viel interessanter als das unausweichliche Ende, das dem Zuschauer vom ersten Moment an bewusst ist und ständig wie ein Damoklesschwert über der Serie schwebt.

Aber nicht nur in Hannibals Fall wird weniger darauf Wert gelegt, es dem Zuschauer durch unmögliche und umständliche Wege zu verheimlichen zu versuchen, bei wem es sich um den Mörder handelt, wie es z. B. in vielen der CSI-Serien ständig der Fall war und ist. Der Täter wird meist bereits zu Beginn der Folge voll gezeigt und seine Tat unverzüglich und schnell auf ihn zurückgeführt. Grund dafür ist, dass die Morde nicht wirklich im Mittelpunkt der Handlung stehen. Sie werden lediglich als Vehikel zur Charakterentwicklung der Hauptfiguren benutzt.

Dabei lernt man meist weniger Hannibal als vor allem den eigentlichen Protagonisten Will Graham (Hugh Dancy) besser kennen. Unterstützt von zitternden Einstellungen und herzklopfartiger Hintergrundmusik wird man sich schnell in die Lage des extrem introvertierten, dabei aber zu enormer Empathie fähigen FBI Profilers versetzen können. Auch bei ihm handelt es sich - genau wie bei Lecter - um eine Unterstützung für das FBI, da er zuerst noch als Lehrer arbeitet. Weil er sich jedoch durch das Aufklären aller vorgelegter Fälle in seiner eigenen einzigartigen Weise mehr als beweisen kann, zieht er nicht nur die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich.

Wills Psyche ist ein weiteres Hauptthema zusammen mit deren Erforschung und möglicherweise auch Beeinflussung. So begibt er sich erst zögernd in die „Behandlung“ Lecters, da sich Will selbst nicht für psychisch auffällig, geschweige denn krank, hält. Ihre Sitzungen werden deshalb von Lecter als eine Art Unterhaltung zwischen zwei Freunden dargestellt. Hier findet man einen anderen Geniestreich und Schwerpunkt der Serie. Denn was hier als intelligente und entspannte Gespräche beginnt, wird zum Kern der Serie werden und alle existierenden drei Staffeln grundlegend prägen. Denn dem Zuschauer wird eines mit jeder Folge immer klarer werden: Eine Freundschaft mit Hannibal kann nur aus einem Berg aus Leichen aufgebaut werden. Die Frage ist jetzt nur, bei wem es sich in diesen Leichen handeln wird.

Abschließend sei noch darauf hinzuweisen, dass diese Serie nicht notfalls für jeden 0815-Krimiserienfan geeignet ist. Auch wenn sie leicht durch ihre wunderschöne Cinematographie, die subtile aber effektive Musik und die ausgezeichneten Performances des Main-Cast verlockend wirkt, darf man nicht vergessen, dass es sich um eine sehr Gore-lastige Serie handelt. Wer damit nicht klar kommt, sollte Hannibal vielleicht dennoch lieber meiden. Ein Horrorfan dagegen kann sich an den unglaublich einfallsreichen Morden erfreuen und darf jedes Mal aufs Neue eine Leiche bewundern, die man fast als eine Art morbides Kunstwerk bezeichnen könnte.

Aber was hätte man auch sonst von Hannibal erwartet?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen