von Kira Lorenz
Um mit Kochen im Nachmittagsprogramm Erfolg zu haben, muss man wohl eine spezielle Persönlichkeit haben. Eine Persönlichkeit wie Steffen Hensslers, zum Beispiel, der bei „Verstehen Sie Spaß“ gar keinen Spaß verstand, als sein Name falsch geschrieben wurde. Wie Alfons Schuhbecks, der in gekünsteltem Bayerisch von seinem Ingwer schwärmt. Oder Horst Lichters, der jetzt lieber Antiquitäten kommentiert als Gemüse blanchiert. Fernsehköche sind schwierige Menschen. Ich kenne zwar keinen persönlich, und es gibt natürlich auch Gegenbeispiele, aber wenn ich mir einen deutschen Prominenten aussuchen müsste, wären Menschen dieser Kategorie definitiv keine erste Wahl.
Und auch der Star der Show „Kitchen Impossible“, Tim Mälzer, war für mich immer ein Grund, wegzuschalten. Seine aufgedreht-lässige Art, die manche vielleicht „cool“ oder „locker“ nennen würden, ist für mich eher nervtötend. Er liegt sehr viel Wert darauf, als bodenständig zu gelten und die einfache Art des Kochens zu vertreten. Das aber wird ihm oft zum Verhängnis, wie er selbst zugibt, denn von „richtigen“ Köchen wird er meist nicht ernst genommen und auf den Status „Fernsehkoch“ reduziert. Dass er jedoch ebenso Erfahrung und Fähigkeiten hat wie seine Konkurrenten, versucht er in „Kitchen Impossible“ zu beweisen. Dass er damit manchmal weit über das Ziel hinausschießt, ist ihm egal.
In der Show treten immer zwei Köche gegeneinander an, Tim Mälzer und ein Kontrahent. Darunter finden sich wenige Frauen (was wohl daran liegt, dass erfolgreich Kochen auch jetzt noch eine Männerdomäne ist), aber auffallend oft Mälzers Erzfreund Tim Rauhe. Die beiden Gegner treffen kurz nach 20:15 Uhr montags aufeinander, nachdem in schnellen Schnitten die Highlights der Folge vorgegriffen werden. Dabei sitzen sie zusammen an einem Tisch mit Antipasti oder anderen Snacks und stoßen brüderlich mit Wein an. Alles wirkt hier so gesellig und harmonisch, während die beiden ihre jeweiligen Beiträge und die dazugehörigen Kommentare als fertiggeschnittenen Film ansehen, in dem sie durchgehend bissig übereinander herziehen. Die lässige Art von Mälzer verwandelt sich während der Aufgabe in Wettkampfgeist, und angesteckt davon zieht der Gastkoch mit. Doch welche Stimmung zwischen ihnen nun wirklich herrscht, darf der Zuschauer selbst entscheiden.
Mälzer und sein Gegner schicken sich gegenseitig jede Woche in ein anderes Land, wo sie regionale Spezialitäten aufgetischt bekommen, die Zutaten erschmecken, diese einkaufen und dann das Gericht in der Originalküche nachkochen müssen. Bewertet wird das Endprodukt schließlich von Stammgästen, die das Gericht genau kennen und jegliche Abweichung aufs Schärfste kritisieren. Auch die Erfinder des Gerichts, beziehungsweise die, die das Anschauungsobjekt am Anfang der Challenge zubereitet haben, schauen den Kandidaten skeptisch über die Schulter und lächeln süffisant, wenn sie keine Petersilie eingekauft haben, obwohl diese unbedingt gebraucht wird.
Die Show lässt mehrere Metaebenen nebeneinander offen. Der Originalkoch kommentiert ad hoc die Kandidaten. Der jeweilige Kandidat sieht sich selbst beim Kochen und die Kommentare des Originalkochs, kommentiert das. Dann sehen sich die beiden Konkurrenten den Film an und lachen über ihre anfängliche Naivität. Und schließlich verurteile ich, im Bett liegend und mit einem Becher Joghurt auf dem Bauch, das Können der beiden vorschnell, wie kann man denn auch die Petersilie vergessen?
Während ich mir den besagten Joghurt aber dann auf mein T-Shirt tropfe, denke ich darüber nach, wie schwierig diese Aufgabe eigentlich ist. Schließlich sind die Gerichte meist extra komplex gewählt, um den anderen in die Pfanne zu hauen. Und es ist eine große Leistung, überhaupt Zutaten aus einer Erdnusssuppe herauszuschmecken oder die korrekte Backzeit einer zwei Meter großen Pizza zu erraten. Hier muss man Mälzer zugutehalten, dass er sein Handwerk definitiv versteht und dadurch regelmäßig Siege einfährt. In 17 von 28 Sendungen über vier Staffeln seit 2016 (18, mit der Pilotfolge von Ende 2014) erkochte er sich seinen Triumph über die Sterneköche mit abenteuerlichen Aufgaben wie essbaren Joints, Cracker mit Talgcreme oder Stör mit Karpfenmilch und arbeitete dabei in den umständlichsten Küchen, einmal sogar für einen Flug der Swiss International Air Lines.
„Kitchen Impossible“ erfreut sich nach quotenbezogenen Anfangsschwierigkeiten zunehmend großer Beliebtheit, beim Fernsehpublikum wie auch bei mir. Während ich zuerst skeptisch gegenüber den Sticheleien und dem übertriebenen Ehrgeiz war, so ist mir die Show wöchentlich etwas mehr ans Herz gewachsen. Denn sie ist, von den sensationslustig angehauchten Höhepunktzusammenschnitten abgesehen, herrlich unaufgeregt und ehrlich. Hier verbietet keine Produktion den Kandidaten, sich eine Zigarette anzuzünden oder zu trinken, gleichzeitig legt sie es auch nicht darauf an, sie möglichst karikiert vorzuführen, wenn sie in der Küche vor Frustration einen Fluch loslassen. Genauso wenig werden Szenen mit albernen Animationen und Musik aus den tiefsten Ecken der Party-Mix-CDs von 2003 unterlegt, die auch noch dem letzten Zuschauer auf den Servierteller legen soll, wie es dem Darsteller nun gerade ergeht. Ich habe bei „Kitchen Impossible“ das Gefühl, ich werde als Zuschauer ernst genommen, was ich bei einigen weiteren Formaten der verantwortlichen Produktionsfirma Endemol Shine Germany sowie des Senders Vox schmerzlichst vermisse.
Auch wenn letztendlich immer die Sensation und die Einschaltquoten Priorität haben, so wird der Wettkampf trotzdem in einen netten Rahmen aus großzügig eingesetzten Landschaftsaufnahmen mit internationalem Flair und weit offenen Blenden verpackt, der die doch ordentliche Länge einer Folge von zwei Stunden und vierzig Minuten ohne Werbung wie von selbst vergehen lassen. Und so freue ich mich über Wiederholungen aus den vergangenen Staffeln, bis 2020 die fünfte Staffel erscheint.
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