von Beatrice Sawatzki
Haben Sie schon mal Drogen genommen? Nein? Noch nicht mal Alkohol? Falls ja waren Sie ausreichend informiert? Kannten Sie den Ursprung der Droge, die Wirkung und die risikoärmste Einnahme? Wahrscheinlich nicht. Viele Menschen kommen in Kontakt mit Drogen. Das meist zufällig und dann trifft man die Entscheidung unreflektiert und macht einen Sprung ins Kalte Wasser.
Diesen Sprung ist der Protagonist Moritz Zimmermann nicht bereit zu machen. Zumindest nicht beim Schulschwimmen. Dort steht er in einer engen Badehose, wilden Locken und Zuckerbergunschuldsgesicht - das High School Drama-Klischee hat ihm die Rolle des Nerds zugeschrieben. Natürlich gibt es dann einen Pendant dazu, den Schulschwarm Daniel „Dan“ Riffert. Er ist attraktiv, sportlich und versorgt die ganze Schule mit Partydrogen. Der Quarterback der Generation Y. Zudem die Schönheit Lisa Novak. Sie ist die Freundin von Moritz und kommt aus einem Au-Pair Jahr in den USA zurück. Hier hat sie Erfahrung mit Ecstasy gesammelt und hinterfragt das Kleinstadtleben. Ihre Sinnkrise ist plastisch dargestellt und überzeugt. Der Stoff ist coming of age, konterkariert sich allerdings direkt zum Anfang als Mockumentary. Angelehnt an die Drogengeschichte des Leipzigers Maximilan S. alias „Skinny Flakes“ der von seinem Kinderzimmer aus fast zwei Jahre lang einen der weltweit größten Onlineshops für Drogen führte, wird aus einem gescheiterten Start-Up der beiden Schulnerds Moritz und Lennard „Lenny“ Sander ein Umschlagplatz für Drogen errichtet. Das soll dann die (Ex)-Freundin überzeugen. Getreu dem Titel der ersten Folge: Nerds Today Boss Tomorrow. Darknet und Nerddome machen es möglich. Leider müssen die beiden sich in die halbseidenen Ecken der menschlichen Existenz begeben. Probleme, die es zu lösen gilt, treten also auf. Der analog verkaufende Halbzeit-Dealer und Bösewicht „Buba“ wird von Bjarne Mädel gespielt. Schotty in Böse. Davon kann man nicht genug sehen. Doch das ist nicht das einzige Problem.
Der Grund warum man diese Serie sehen sollte ist der Paradigmenwechsel in der Erzählung über Drogen. Die Lust an der Illegalität konnte Netflix schon immer gut befriedigen. Diese Storys beschränkten sich dann aber meist auf die Probleme, die mit Drogenhandel einhergehen wie der Serie Narcos. How to sell drugs online (fast) geht hier weiter. Es wird sich Zeit genommen über die Gefahren, die Wirkung und die risikoarme Einnahme aufgeklärt. Ideal für die aktuelle Generation die neben Bierzelten auch in Technoclubs feiern möchte.
Die Serie geht akzeptierend an den Gebrauch von Drogen, ohne zu dramatisieren und dämonisieren. Damit eignet sie sich um Impulse in der Debatte um den gesellschaftlichen Umgang mit Drogen zu geben. So kritisiert die sich selbstfindende Tochter aus reichem Hause ihre Eltern „Glaubst du wirklich zwei Tarvor und ne Flasche Weißwein am Tag sind besser?“. Wenn man Drogen nimmt hat man sein Leben weggeschmissen und wenn man sich jedes Wochenende bis zum Erbrechen einen rein stellt dann ist es gesellschaftlich auch noch akzeptiert. Das ist ein Seitenhieb der Serie auf den offenen und akzeptierten Drogenkonsum von Alkohol. Hier wird die Doppelmoral aufgedeckt. Erfrischend. Die Dramaturgie macht Spaß. Sie ist mit der Serienlänge auf die Generation YouTube zugeschnitten. Sechs Folgen zu 30 Minuten. Das Problem eine Stunde zu investieren wird dieser hektischen Zielgruppe erspart. Dafür fliegt die Serie an einem vorbei. Zudem glänzt How to sell drugs online (fast) immer wieder mit Humor und Komik. Diese wirkt manchmal etwas übertrieben zugespitzt aber nie peinlich. Eine Serie aus Deutschland die sich auf dem internationalen Markt behaupten kann.
Die Serie schafft es zu unterhalten und beleuchtet neben dem Drogenthema auch Fragen zum digitalen Leben. Nebenbei werden immer wieder Gesellschaftskritische Fragen eingebracht und ein Blick auf den aktuellen Generationenkonflikt Drogen nehmender, sich selbstfindender Jugendlicher und der älteren standhaften und eben nicht open-minded Generation geworfen. Und das nie mit mahnendem Finger, nur mit erklärender Geste. Auch der Influencer und Instagram Aspekt kommt in der Serie nicht zu kurz und wird durch die kleine Schwester des Protagonisten bestens verkörpert und auf humoristische Art als Teil einer kommenden Generation präsentiert. Die Figuren sind gut erzählt und schaffen es mehr zu sein als ein Plot Device oder Klischees, wenn doch die Verteilung der Rollen nach Stereotypen erfolgt. Hier hätte sich How to sell drugs fast (online) noch mehr trauen dürfen. Die Durchbrechung dieser Rollen hätte die Serie von einer guten zu einer sehr guten Serie gemacht. Unterhaltsam ist sie in ihrer Kurzweiligkeit allemal. Wir können gespannt auf eine kommende Staffel warten.
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