von Kira Lorenz
Der Bayerische Defiliermarsch erklingt, Zoom auf die Bavaria: endlich ist wieder September. Auf das Oktoberfest arbeitet der Bayerische Rundfunk das ganze Jahr hin, könnte man zumindest denken, wenn man die schiere Überladung des Programms mit zwei Wochen Wiesn in Dauerschleife sieht. Zumindest habe ich das in Erinnerung, wenn mein Vater abends das dritte Programm eingeschaltet hat und man quasi den ganzen Abend live auf der Wiesn war. Neben den ausgiebigen Berichten, die oft mehr als zwei Stunden Programm fressen, wird das Thema auch in Rundschau, Abendschau und ähnlichen alltäglichen Programmen behandelt. Die Oktoberfestdauerbeschallung ging uns allen schon nach dem ersten Wochenende auf den Geist, was vor allem auch an den oftmals anstrengenden Moderatoren lag.
Den Anfang macht ein Bericht über die Rossgespanne und ihre Hintergründe, gefolgt von 145 Minuten Reportage beziehungsweise Liveübertragung beziehungsweise Dokumentationsfilm „hinter den Kulissen“. Nicht weniger als vier Moderatoren, gewandet in den neuesten Kreationen gängiger Trachtendesigner, verleihen dem Einzug der Wirte die Aura einer royalen Hochzeit. Leider haben sich die Produzenten für ein Intro entschieden, das zu schrecklich synthetischer Blasmusik ein Oktoberfestminiaturland zeigt.
Bis auf die Erwähnung in den Nachrichten des BR, der Rundschau, hört man bis zum frühen Abend nichts mehr von dem Thema. Dann jedoch übernimmt eines der Vorabendmagazine, Zwischen Spessart und Karwendel, das Mikrofon, und berichtet über ein Bouquet an Oktoberfestthemen. Diese werden in den nächsten 14 Tagen ständig im Bayerischen Rundfunk präsent sein: Wiesntrachten, Wiesnessen, Wiesnmusik, Wiesnschausteller. Es werden politische Frühschoppen übertragen, die Beteiligten in ihrem Alltag, ja, sogar ein Wiesn-Tatort.
Allerdings – unter der Woche steht nichts über das Oktoberfest im Programm. Sicherlich, die Wochenenden und vor allem der Sonntag gehören der Wiesn, aber mein Eindruck hat sich widerlegt. Wenn auch die großen Ereignisse wie der Anstich, der Trachten- und Schützenzug und verschiedene Frühschoppen ausführlich in oft über zweistündigen Sendungen live übertragen werden, so ist trotzdem noch Platz für Wiederholungen von Dahoam is Dahoam, für Querbeet und andere Regionalmagazine.
Als Oberpfälzerin bin ich außerdem darauf konditioniert, Oberbayern, München und dem Oktoberfest eine gewisse Skepsis entgegenzubringen. Vielleicht ist es das Gefühl, dass ganz Bayern auf Tracht und Bier reduziert wird, obwohl wir doch unsere ganz eigene Kultur haben und darauf stolz sein sollten. Wenn aber dann Sonntag früh der Trachten- und Schützenzug nebenbei läuft, sehe ich einen Schellenbaum an mir vorbei aus dem Bild ziehen. Die Kapelle kommt mir entgegen, wird mir warm ums Herz, und ich denke an meine fünf Dirndl im Schrank. Trotz allem Overkill, der Wiesnfunke ist übergesprungen. Und ich möchte nicht leugnen, dass ich zumindest bei bestimmten Berichten auch einmal auf dem Sofa sitzen bleibe.
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