von Laura Schäfer
Am 23.05. hieß es auf ProSieben das vierzehnte Mal: „Germanys next Topmodel IST...“. Dieser Satz bildete den traditionellen Abschluss des live Finales, dass von 20:15 bis 23:30 mehr als einen kompletten Fernsehabend einnimmt.
Wochenlang beurteilten Heidi Klum und unterschiedliche Gastjuroren die diesjährigen Kandidatinnen in unterschiedlichen Modeldisziplinen. Dies reichte von Fotoshootings in der Luft oder einem Sprung von einem Drei-Meter-Brett bis zu Auftritten auf dem Laufsteg in 12 Zentimeter Schuhen und teuren Kleidern. Zusätzlich mussten die Models ihr Talent in verschiedenen Castings in der realen Modelwelt unter Beweis stellen.
Diejenigen, die sich letzten Endes gegen fünfzig weitere Modelanwärterinnen durchgesetzt haben, zogen in das große Finale ein. Dieses wurde im vorherigen Verlauf der Show immer wieder groß angekündigt, sodass Fans sich eine der Karten sichern konnten.
Bisher wurde außerhalb der Modelleistung viel Wert auf die Persönlichkeit der Mädchen gelegt. Die Mädchen wurden täglich fast rund um die Uhr von einer Kamera begleitet. Sie wohnten zusammen in einer riesigen „Modelvilla“ und wurden so von ihrer privatesten Seite gezeigt. Von zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Charaktere sowie einem unschönen Ausraster einer Kandidatin wegen eines körperlichen Angriffes- in der diesjährigen Staffel war wirklich alles vertreten.
Und nun stehen sie im Finale, die laut Heidi Klum besten drei Kandidatinnen. Simone- ein sehr emotionales und nah am Wasser gebautes Mädchen mit sehr guten Leistungen und Potential, Sayana- ein indisches Mädchen, das trotz ihrer Kultur den Wunsch verfolgt, professionell als Model arbeiten zu können, und die fast ein Meter achtzig große Italienerin Cäcilia, die ebenfalls alle Vorrausetzungen mitbringt, um die Show zu gewinnen. Positiv zu bemerken ist, dass so eine interessante Konstellation an Mädchen gegeben war, da alle äußerlich und auch charakterlich sehr unterschiedliche Typen sind.
Die Entscheidung, welches Mädchen letztendlich gewinnen wird, lag wieder ausschließlich bei Heidi Klum. Aber natürlich hatte diese auch dieses Mal wieder reichlich Unterstützung eingeladen, was die Jury und auch die Unterhaltung angeht. Angekündigt wurden Auftritte von Tokio Hotel, den Jonas Brothers, Taylor Swift, Tyra Banks, Thomas Gottschalk und Channing Tatum inklusive seiner Magic Mike Show. Dieses Format bot den Zuschauern also ein sehr internationales Programm mit beliebten Gästen, was der Show prinzipiell ein großes Potential für Highlights gibt. Es wurde einiges geboten, was es im deutschen Fernsehen so nur selten gibt. Auch Tyra Banks, die Erfinderin des Topmodel Formates allgemein, bestätigte in der Show, wie aufwendig das Finale in Deutschland produziert sei und dass die die Show mit viel Respekt betrachte und auch stolz ist, dass sie Erfinderin dieses Formates ist.
Die Gäste, die sich Karten gekauft hatten und Live vor Ort waren mussten jedoch zu ihrer eigenen Enttäuschung feststellen, dass nicht alle Ankündigungen von Live-Auftritten eingehalten wurden. Taylor Swift zum Beispiel war lediglich am Vormittag kurz für einen Song auf der Bühne- der aufgenommen wurde und in der Live-Show über einen Bildschirm abgespielt wurde. Heidi und die drei Finalistinnen waren die einzigen, die den Auftritt von Taylor Swift live sahen. Für den Zuschauer vor dem Fernsehen war dies jedoch nicht erkennbar, außer an den anderen Outfits von Heidi und den Kandidatinnen. Und Channing Tatum- zur Enttäuschung vieler - tanzte bei dem Auftritt seiner Magic Mike Gruppe leider nicht einmal mit, er trat nach Ende der Performance auf die Bühne. Die Auftritte wurden also nicht ausschließlich Live ausgestrahlt, die Mehrheit aber schon. Diejenigen, die live auf der Bühne auftraten, konnten trotzdem eine hörbar gute Stimmung erzeugen.
Dies führte jedoch leider dazu, dass das Gefühl aufkam, dass die Kandidatinnen- um die es ja wochenlang davor ging- oft in den Hintergrund traten. Unter den spektakulär gestalteten Auftritten waren die Leistungen im Modelbereich, die die Kandidatinnen erbringen mussten, eine Sache, die nur nebenher stattfand. Das wurde schon durch den Eröffnungsauftritt durch den „Cirque du soleil“ deutlich, die eine Musical Nummer aufführten. Von Gesang, Outfits bis Tanz war alles perfekt dargestellt, und die Kandidatinnen- die während des Auftritts irgendwann auf der Bühne auftauchten- gingen alle völlig unter. Heidi Klum bekam ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, denn diese wurde in ihrem ersten Auftritt durch eine sinkende Schaukel in der Luft heruntergelassen.
Unterhaltsam war es für den Zuschauer allemal, doch wird dieses Konzept fraglich, wenn man bedenkt, dass die Mädchen über Monate in der Sendung immer im Vordergrund standen. Ebenso ist es das Konzept der Reality-Sendung, die Teilnehmerinnen vorzustellen und ihnen die Chance zu geben, in die Öffentlichkeit zu gelangen, natürlich idealerweise als Model. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die meisten Kandidatinnen nach Ende der Show eher versuchen sich im Influencer-Bereich durchzuschlagen.
Eine der wenigen Chancen, zu zeigen wer sie sind, bekamen die Kandidatinnen in der Live-Show in einem Catwalk, bei dem sie am Ende eine persönliche Rede zum Thema „Girlpower“ vorbereiten sollten und was dieser Aspekt für sie bedeutet. Diese trugen sie den Zuschauern vor. Natürlich wird hiermit ein Thema angesprochen, was für viele Zuschauer der Zielgruppe eine wichtige Rolle spielt. Allerdings ist – wenn man gewisse Werte anreißt- Vorsicht bei den weiteren Inhalten der Show geboten.
Die nächste Aufgabe der Top 2 Finalistinnen Sayana und Simone bestand darin, ein Fotoshooting mit der "Magic Mike" Gruppe zu absolvieren. Unter der „Magic Mike“ Gruppe werden attraktive und durchtrainierte Männer verstanden, die Simone und Sayana mit oberkörperfreiem Outfit in die Kamera hoben. Wieder wurde das Fotoshooting sehr aufwendig produziert- der Kameramann fotografierte die Mädchen beispielsweise aus der Luft. Und sicherlich war es auch ein Erlebnis für die Kandidatinnen, mit international bekannten Männern fotografiert zu werden. Jedoch sind die Werte, die während der Show vermittelt werden sollten, sehr widersprüchlich.
Das Highlight der Show bot jedoch tatsächlich weder ein Starauftritt noch ein Fotoshooting oder Catwalk. Eine Kandidatin der Show- Theresia, deren Beziehung zu ihrem sehr viel älteren Freund schon die ganze Staffel thematisiert wurde, hatte den Wunsch im Live-Finale zu heiraten. Privatheit auf höchstem Level wurde also ebenso geboten- doch ihr Freund wusste bis zu dem Zeitpunkt der Verkündung, dass Theresia in der Show heiraten wird, leider noch nichts. Er wurde überrascht und verhielt sich demnach auch ein wenig überrumpelt- genauso wie der hilflose Thomas Gottschalk, der die Aufgabe hatte, die Ringe zu überreichen. Auch dieser wirkte über die Darstellung der Hochzeit ein wenig verwirrt- was er nach der Show in einem Interview auch bestätigte.
Auch wenn Theresia laut eigener Aussage selbst entschieden hatte, so ihre Hochzeit zu feiern, hatte sie in der Darstellung einen sehr befremdlichen Charakter. Angefangen mit der Trauzeugin Heidi Klum- die sicher nicht wirklich in dieser Position stehen darf. Als Trauzeuge wurde ein riesiges Maskottchen in Form eines Kuscheltieres gewählt- „Herbert“. Diesen hatte Theresia in der Show stets an ihrer Seite, als Glücksbringer. Das sind Umstände, über die viele schmunzeln mussten, auch die -neben Thomas Gottschalk- weiteren Gäste auf dem Jury-Sofa waren während der Trauung auffällig still.
Der Top 20 Walk der Staffel, das bedeutet, die zwanzig besten Kandidatinnen, durften noch einmal über den Laufsteg laufen. Sie liefen passend zur Hochzeit in schönen und ausgefallenen Brautkleidern von Kaviar Gauche hintereinander über die Bühne, was sehr schön anzusehen war. In den Gesichtern der Kandidatinnen konnte der Zuschauer sehen, dass sie Spaß hatten und sich sehr auf den Catwalk freuten.
Allerdings waren die Gäste- die Heidi in der Entscheidung um den Titel beraten sollen insgesamt sehr wortkarg. Tyra Banks als Erfinderin des Formates und jahrelanger Jurorin von America’s next Topmodel sowie auch Thomas Gottschalk als Entertainer haben sicher sehr viel Erfahrung in diesem Geschäft und eigentlich Meinungen, die Heidi Klum sehr viel helfen könnten. Deren Meinung wurde jedoch sehr knappgehalten. Heidi Klum fragte am Ende der Show, wer letztendlich den Titel „Germanys next Topmodel“ absahnen wird. Sie ließ sich von Thomas Gottschalk und Tyra Banks lediglich ins Ohr flüstern, welche der beiden ihre Favouriten seien. Eine weitere Begründung oder überhaupt eine Bekanntgabe der Meinung wurde den Zuschauern und den Kandidatinnen nicht gezeigt.
Die wichtigste Rolle unter den Gästen spielte womöglich doch Heidi Klums Partner Tom Kaulitz. Nach seinem bemerklich sehr guten Auftritt mit seiner Band Tokio Hotel wurde kein Spektakel ausgelassen, den Höhepunkt bildete die abschließende Regendusche. Nach diesem setzte sich die Band ebenfalls auf das Prominentensofa- natürlich nachdem er seine Partnerin Heidi mit einem intensiven Kuss begrüßte. Dieser wirkte tatsächlich sehr authentisch und echt, und gab dem Zuschauer das Gefühl, dass die sehr medienpräsente Liebe zwischen Heidi und Tom nicht nur inszeniert ist. Auch wenn Heidi Klum immer wieder in der Moderation mit Andeutungen auf ihre eigenen Hochzeitsgerüchte in der Show spielte- und allgemein sehr offen mit ihrer Beziehung umging.
Wie deutlich wird- es wurde ein breites Spektrum an Themen und Auftritten in der Sendung geboten- jedoch wurde die vorherige Staffel und die Kandidatinnen gar nicht thematisiert. Die meisten Kandidatinnen kommen weitgehend ohne Modelerfahrung in die Sendung und durchlaufen eine riesige Entwicklung in Verbesserungen in den Modelaspekten sowie auch ein Umstyling. Jede lernt ihre Stärken und Schwächen in diesem Business kennen, was sicher kein leichter Weg ist. Wenn man betrachtet, dass sie sich monatelang gegen die Leistung anderer Kandidatinnen und auch gegenüber anderen Charakteren durchsetzen, ist es insgesamt doch Schade, dass die entscheidenden Momente der Kandidatinnen in der Sendung auch nicht thematisiert wurden.
Jemand, der die Staffel nicht verfolgt hat und keine näheren Informationen zu den Kandidatinnen hatte, konnte sich in dieser Live-Show sehr schwer orientieren. Wer jedoch die Sendung von vorne bis hinten verfolgt hat, dem ist klar, dass die diesjährige Gewinnerin -Simone Kovalski- den Titel mehr als verdient hat. Sie bekam während der Sendung immer die Rückmeldung, dass sie das nötige Potential besitzt, um als Model arbeiten zu können.
Außerdem bekam sie in den Castings für Modeljobs während der Staffel fast jeden Job, und war in den zahlreichen Performances, die die Mädchen jede Woche leisten mussten, sehr oft die Beste von allen. Der Kritik, dass also jedes Jahr ein Mädchen gesucht werde, dass einem Typ entspricht der noch nie gewonnen hat, wird die Gewinnerin Simone hier nicht gerecht. Den ihre Konkurrentin- die Inderin Sayana- die ihre Kultur auch offen auslebt, brachte hier einen einzigartigeren Typ mit. Und eine Vorgeschichte, die von Grund auf für die Sendung hier interessant ist. Hier hat sich Heidi Klum also für die Kandidatin entschieden, die tatsächlich oft die Rückmeldung bekam, die besten Leistungen erbracht zu haben.
Insgesamt ist es sehr bemerkenswert- dass ProSieben eine derartig aufwendige Show produzierte, die innerhalb von wenigen Tagen von den Produzenten und Kandidatinnen geprobt und vorbereitet wurde. Und auch dieses Jahr war es wieder sehr unterhaltsam, sich von den Auftritten und Stargästen berieseln zu lassen. Doch die Darstellung der Kandidatinnen wurde hierbei leider ein wenig vernachlässigt. Es wird deutlich, dass das Format gezielt versucht bestimmte Zielgruppen anzusprechen, auch mit ernsteren Themen. Die Show zeigt auch gute Ansätze, in dem die Kandidatinnen eine Rede vorbereiten, um Mädchen und Frauen zu motivieren und ihnen den Mut geben wollen, zu sich zu stehen. Jedoch muss besonders in dieser Branche, die ohnehin oft aufgrund ihrer hohen Oberflächlichkeit kritisiert wird, aufgepasst werden, dass diese Ansätze auch stetig verfolgt werden.
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