von Josefine Montgelas
Als Kind habe ich gerne ab und zu Alpha Centauri geschaut; Ich fand es faszinierend in fremde Welten einzutauchen, von Schwarzen Löchern, Weißen Riesen und Magnetaren zu hören. Dann war lange Pause und ich habe erst vor einiger Zeit wieder von dem Moderator der da-maligen Sendung, Harald Lesch gehört. Er macht jetzt ganz viele verschiedene Sendungen für BR alpha und ZDF, die Namen tragen wie Lesch&Co., Alpha bis Omega, Lesch Zug oder Frag den Lesch. Man könnte leicht den Eindruck bekommen, die gesamte Sparte der Wissenschaftssendungen im Fernsehen würde nur noch von ihm moderiert. Für seine vielseitige Betätigung hat er auch massenhaft Preise erhalten, so zum Beispiel vom Hochbegabten-Verein Mensa. Das alles ist ja schön und gut, aber unter uns gesagt: Mich hat es irgendwann einfach genervt. Brauchen wir denn wirklich einen Märchenonkel, der uns die Welt erklärt, eine Sendung mit der Maus für Erwachsene? Noch dazu ist er ja Professor für Astrophysik und damit meiner Meinung nach nicht für das Luther-Jubiläum oder die Slow-Food-Bewegung zuständig. Für viele Menschen aber eben schon, denn er ist das Gesicht, die Stimme, die ihnen alle wissenschaftlichen Themen auf einfachem Niveau vermittelt.
Diese Gedanken im Hinterkopf schalte ich also am Dienstag Abend um elf Uhr den Fernseher ein. Eigentlich wollte ich die Mondfinsternis anschauen, aber ich habe mir vorgenommen, in dieser Woche die Sendung endlich zu schauen. Auch fünf Minuten nach offiziellem Beginn läuft noch Pelzig unterhält sich. Ich schalte also zwischendurch auf Youtube um und ziehe mir eine Doku über Minimalismus rein. Versuche zwischendurch, Lesch zu kucken, scheitern, da Pelzig sich auch nach 30 Minuten immer noch unterhält. So ein Mist, dann wäre die Mondfinsternis ja echt noch drin gewesen. Als die Sendung endlich beginnt, scheinen meine Vorurteile über populärwissenschafliche Sendungen bestätigt zu werden: Harald Lesch ist plötzlich Fachmann für Plastikverschmutzung und steht in einem seltsamen blau beleuchteten Studio aus organischen Formen, die wie eine Kreuzung aus DNA-Bruchstücken und Streptokokken aussehen. Ich vermute stark, dass die Einbauten samt und sonders aus Kunststoff bestehen. Na toll.
Die Sendung dauert eine halbe Stunde und ist in Moderationsblöcke und Einspielungen unterteilt, die verschiedene Dimensionen und Ansätze der Plastik-Problematik beleuchten. Zunächst geht es um Weichmacher im Spielzeug und die gesundheitlichen Folgen, die sich daraus ergeben.Bei Kindern stehen sie beispielsweise im Verdacht, poröse Zähne zu verursachen. Dies wird durch Tierversuche bestätigt, die natürlich ganz selbstverständlich sind und nicht in Frage gestellt werden. Lesch fügt nach diesem Beitrag hinzu, der Weichmacher Bisphenol A sei eigentlich als Ersatz für das weibliche Sexualhormon Östrogen entwickelt worden. Das ist interessant. Als nächstes geht es um die Auswirkungen von Mikroplastik: Man findet es mittlerweile überall. Gut, das hätte ich auch ohne die Sendung gewusst. Aber dass es z.B. im Gewebe von Muscheln zu Entzündungen führt, war mir neu. Auch, wo es eigentlich herkommt: Der Löwenanteil stammt von Reifen- und Textilabrieb. Kunstrasen sind in Deutschland mitlerweile ebenfalls ein großes Problem.
„Wie schön wäre es, wir würden was in der Natur entdecken, das auf natürliche Weise die Kunststoffe klein kriegt und zum verschwinden bringt“, sagt Lesch. Es werden Forscher gezeigt, die im Hamburger Hafenschlick nach Bakterien suchen, die Plastik zersetzen können. Und sie werden fündig: Das Bakterium Ideonella Sakaiensis besitzt tatsächlich ein Enzym, dass PET zersetzen kann. Doch wo kommt es her? Da das Material erst seit den 50er Jahren im Umlauf ist, müssen die Nützlinge sich wirklich erstaunlich schnell auf die neue Nahrung eingestellt haben.
Ist ein Leben ohne Plastik überhaupt möglich? Im Textilbereich könnte Spinnenseide ein Ersatz sein, bei Autoteilen Flachsfaser. Überhaupt zum Thema Auto: Ein dynamischer Managertyp im besten Alter geht in seine Garage, um Kinderspielzeug auf dem Rücksitz zu verstauen. „Ein neues Auto, das wärs! Dann aber bitte einen coolen Wagen.“, sagt eine testosteron-schwangere Männerstimme. Das Klischee, dass gerade für Männer das Auto immer noch ein Teil des Selbst ist, ein Repräsentationsobjekt, wird hier mal wieder bedient. Zu heroischer Musik fährt ein hyper modernes Vehikel auf einer schnurgeraden Straße. Er, der Managertyp, dessen Name oder Funktion nicht genannt wird, will beim Aussehen seines Autos natürlich „keine Kompromisse machen“. Immerhin scheint er bereit für Neuerungen zu sein und auch offen für ein Fahrzeug aus umweltfreundlicheren Materialien. Es zeigt sich, dass die Flachsfasern tatsächlich ein Stück weit Carbonfasern ersetzen könnten. Es muss aber noch viel geforscht werden.
Und Lesch? Zum Schluss der Sendung appeliert er an die Zuschauer: Durch die Gravitation komme auf der Erde nichts weg, den Müll, den wir auf unserem blauen Planeten erzeugen, werden wir nicht mehr los. Was wir „loswerden“ wollen kommt wieder zu uns zurück und beeinträchtigt das gesamte Ökosystem. Dieses Nachwort kann man übrigens auf der Homepage der Sendung separat anhören. Es klingt zwar ein bisschen pathetisch, aber irgendwie hat er ja recht. Ich gebe zu, ich hätte den Professor mit seiner Ich-weiß-alles-und-erkläre-euch-die-Welt-Attitüde oft auf den Mond schießen wollen. Aber zum Glück habe ich das nicht getan und so gibt es weiterhin gut recherchierte Sendungen zu aktuellen wissenschaftlichen Problemfeldern. Er ist einfach ein guter Moderator und die Themen, denen er sich widmet sind höchst brisant. Es ist in Ordnung, wenn Lesch zwischendurch ein bisschen altklug wirkt, denn immerhin vermittelt er wichtige Themen, die alle etwas angehen. Auch wenn der Physiker kein Fachmann für Plastikmüll ist, so hat er ganz offensichtlich die Gabe, sich in diese Themengebiete einzuarbeiten und sie glaubhaft zu vermitteln. Seine Sprache ist verständlich, nicht gesteltz und wirkt natürlich. Und in seiner Funktion als Moderator muss er ja nicht jedes Fach studiert haben, dass er vorstellt. Meiner (revidierten) Meinung nach ist Leschs Kosmos jedenfalls eine Bereicherung für die Fernsehlandschaft. „Tja“, wie der Neun-undfünfzigjährige an passenden Stellen oft sagt.
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