TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Lost and Found: Über das Ende einer der derzeit meist diskutiertesten Sendungen


von Sebastian Lauterbach


Nahaufnahme eines sich öffnenden Auges. Blick in den, von tropischen Bäumen versperrten Himmel. Ein Hund läuft auf den Hauptcharakter Jack Shephard zu, welcher gerade aufgewacht ist. Anfänglich desorientiert, läuft Jack durch den Dschungel der Insel und erreicht den Strand. Dort wird er mit dem Flugzeugabsturz konfrontiert, der das Schicksal dutzender Menschen für die nächsten Jahre besiegelt.

LOST entwickelte sich, seit dem Start im Jahre 2004, in kürzester Zeit zum Phänomen unter den aktuellen Fernsehserien. Die Gruppe um die Überlebenden des Absturzes ließ eine Community entstehen, welche durch die Fanpage Lostpedia ein Zentrum erhielt, dass äußerst umfangreich alle Fragen rund um das Universum, dass LOST mit der Zeit wurde, aufgriff und durchdiskutierte. Anlass dafür gab eine Komplexität, welche in der Serie immer weiter fortschritt. Der Aspekt des Überlebens auf einer einsamen Insel, ist dabei nur auf die ersten Folgen reduziert. Es folgen Entdeckungen von Organisationen, welche die Insel als Quell physikalischer Anomalien ausnutzen wollen und die Tatsache, dass es kein Zufall war, dass genau dieses Flugzeug auf dieser Insel abgestürzt ist. Vervollständigt wurde die Serie durch anfangs eine weitere Zeitebene, welche die Vergangenheit der Charaktere näherbrachte. In späteren Staffeln wurden Zeitebenen hinzugefügt, welche die Zukunft bzw. eine alternative Gegenwart darstellten. Diese sogenannten Flashbacks, -forwards und -sideways forderten zwar hohe Aufmerksamkeit beim Betrachter, waren aber unabdingbar um die Charaktere und ihre Handlungsweisen nachzuvollziehen.

Vergangenen Sonntag lief nun die letzte Folge. Internetforen überschlugen sich, wie die Serie wohl enden würde. So sehr die Serie sich zwar im Laufe der Zeit von realistisch, über zutiefst physikalisch, hinzu philosophisch entwickelte, man fieberte mit und wollte alle Fragen beantwortet haben. Nach der Ausstrahlung ist man aber gespaltener Meinung. Ich kann mich auch bisweilen nicht entscheiden, wie man das Ende der letzten 6 Jahre annimmt. Einerseits verzichtete man bewusst, übernatürliche Phänomene rational zu erklären, da man den Symbolcharakter hervorheben möchte, andererseits führt diese Vorgehensweise dazu, dass man denkt, die Produzenten hatten keine andere Chance, alles zu erklären, was man im Laufe der Zeit hinzugefügt hat. Nun könnte man meinen, dass durch das Fehlen von Antworten für übriggebliebene Fragen bzw. eine Allgemeinerklärung für alles eine Abspeisung der Zuschauer erfolgt ist. Jedoch muss man, vor allem den Subkontext der finalen sechsten Staffel in das Gesamtkonstrukt übertragen. Die Serie reduziert sich nicht auf Überlebenskonflikte, sondern verfolgt ein höheres Ziel. Es geht um Themen wie Leben und Tod, Schicksal und freier Wille und Religion. Das Vorhandensein übernatürlicher Phänomene mag abschreckend erscheinen, sie sollten jedoch nicht wörtlich angesehen werden sondern vielmehr als Symbol für oben genannte Themen. Die letzten zwei Stunden der Serie schließen an diesen Symbolcharakter fast ausschließlich an. Und so endet die Serie in zweifacher Hinsicht. Zum einen tiefreligiös in einem Flashsideway, indem sich alle Überlebenden des Absturzes in einer Zwischenwelt, vielleicht eine eingeschränkte Art Himmel, wiedersehen. Noch dazu in einer Kirche welche alle Religionen toleriert. Das wirkliche Ende, angesiedelt in dem anderen Flashsideway, legt das Hauptaugenmerk auf die restlichen Überlebenden auf der Insel. Sie können das Böse besiegen. Ein Teil schafft es nach Hause, während der andere Teil die Insel nicht mehr verlassen will. Nur Jack Shephard kann sich keinem Teil anschließen. Ein finales Fazit fällt schwer. Zu leicht kann es passieren, LOST als oberflächliche, unrealistische Mysteryserie abzustempeln. Jedoch liegen die Qualitäten der Serie auf dem zweiten Blick begraben. Und den sollte man definitiv riskieren.

Jack ist schwer verletzt vom finalen Kampf; er geht zu der Stelle, wo er vor Jahren das erste Mal aufgewacht ist. Der Hund kommt aus dem Wald und legt sich neben ihn hin. Nahaufnahme eines sich schließenden Auges.

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