TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 31. Juli 2019

The Royals – Sex, Drugs und Rock ‘n’ Roll im Buckingham Palace

von Felicitas Dusel
„Ich bin bloß ‘ne Bitch, die Macht und Geld hat, aber es steht mir gut.“ Eine solche Aussage würde man wohl kaum der Prinzessin des Vereinigten Königreichs zuordnen, doch in der amerikanischen Fernsehserie The Royals stammt der Satz genau von besagter fiktiver Prinzessin. Wenn man an „Royals“ denkt, haben die meisten von uns sicherlich sofort den Buckingham Palace, Queen Elizabeth, vornehme Hüte, Hofetikette und Prinzessinnenhochzeiten im Kopf. Die Serie des US-Senders E! orientiert sich zwar an diesen Bildern des britischen Königshauses, aber nur um sie dann komplett umzuwerfen und auf den Kopf zu stellen. 
Von Prince Charming und Co. ist hier keine Spur: die machtbesessene und kaltherzige Königin (verkörpert von Elizabeth Hurley) investiert am meisten Zeit in leidenschaftliche Affären, die oben zitierte Prinzessin ist ein verzogenes Party Girl, deren Alkohol- und Drogenexzesse mit skandalösen Fotos täglich in den Klatschzeitungen landen, und ihr Zwillingsbruder Liam hat einen betrunkenen One-Night-Stand mit der Tochter des königlichen Sicherheitschefs. Der einzige Protagonist, der noch nicht von seiner Rolle als mächtigster Mann Großbritanniens korrumpiert scheint, ist der König. Und dieser ist genau so, wie man sich einen König wohl vorstellt, oder sich auf Grundlage von Märchen erträumt: treu seiner Familie und seines Volkes, ein einfühlsamer Vater, und ein selbstloser König. Long Live the King! Doch die Familiendynamik gerät gewaltig aus den Fugen, als die Nachricht eintrifft, der älteste Sohn und Thronfolger Robert sei bei einer Militärübung tragischerweise tödlich verunglückt. Die sowieso schon zerrüttete Königsfamilie sieht sich vor einer ganz neuen Herausforderung, und schon beginnen die Intrigen und Skandale, wie man sie von einer Serie über den Adel vermutlich auch erwartet. Natürlich sind diese zum Teil zweifelsohne überzogen, doch dies trägt zur Komik und Spannung der Serie maßgeblich bei, ebenso wie die Fähigkeit, den Zuschauer selbst immer wieder in die Irre zu führen, sodass er der falschen Person vertraut und genauso überrascht wird, wie die jeweiligen hintergangenen Charaktere.
Der größte Unterhaltungsfaktor von The Royals besteht darin, dass die typischen Klischees und Idealisierungen des britischen Königshauses komplett aus dem Fenster geworfen werden. Ab und zu wird man zwar daran erinnert, dass eine Reihe von Regeln und Traditionen intakt sind, doch die Serie zögert nicht mit diesen zu brechen und zu spielen. Die Charaktere sind vielfältig und reichen vom kriminellen, mysteriösen Bodyguard bzw. Liebhaber der Prinzessin, über den machthaberischen, eifersüchtigen Bruder des Königs, bis hin zum ernsten und regelkonformen Sicherheitschef, der ein wahrer Workaholic ist. Natürlich bedienen sich die Figuren zahlreicher Stereotype, wie zum Beispiel dem des Party Girls, von dem es auch in genug anderen Serien eine ähnliche Version gibt. Doch wenn man bedenkt, dass dieses Motiv nun auf eine Person wie eine Prinzessin übertragen wird, die als vornehm, brav und elegant gilt, macht es das Ganze schon wieder origineller und verleiht der Serie ihren nicht abzustreitenden Charme.
Selbstverständlich darf es auch an Liebesdramen nicht fehlen: eine verbotene Liebe zwischen Personal und Prinz, eine lieblose Ehe mit einer untreuen Frau, eine geheime und skandalöse Affäre, eine manipulative Exfreundin, die den Prinzen mit allen Mitteln zurückgewinnen will – und alles davon in Massen. Natürlich gehören diese standardisierten Motive und Abläufe ins feste Repertoire jeder Dramaserie, und so kann man, wenn man auf leichte Unterhaltung aus ist und mit dieser Einstellung an die Sache geht, an The Royals mit Sicherheit großen Gefallen finden.
Daneben steht auch der Familienzusammenhalt, den es immer wieder zu sichern und herzustellen zu gilt, im Vordergrund. Auch wenn diese Königsfamilie einander regelmäßig in den Rücken fällt, bieten sich auch rührende Momente der Einheit. Lobenswert ist außerdem, dass sich die Charaktere im Laufe der Folgen weiterentwickeln und verändern, was den Realitätsbezug wiederherstellt, der manchmal durch äußerst absurde Wendungen in der Handlung verloren geht. Oftmals bleibt es zwar bei oberflächlichen Geschichten, die lediglich zur Unterhaltung der Zuschauer dienen, doch später werden auch ab und an relevantere und wichtige Themen wie soziales Engagement, dem sich die Prinzessin schließlich zuwendet, angeschnitten, sodass The Royals nicht nur als seichte Dramaserie abgetan werden kann.
An Spannungsaufbau und Cliffhangern fehlt es der Serie kein Stück, und auch wenn die Geschehnisse von Staffel zu Staffel unglaublicher, verzwickter und abwegiger werden, fiebert man doch jedes Mal wieder genauso gebannt mit. Ein Quereinstieg ist hierbei praktisch unmöglich, aufgrund der komplizierten Entwicklungen eignet sich The Royals aber ganz wunderbar für Binge-Watching an einem verregneten Wochenende. Die Intrigen und Manipulationen inner- und außerhalb des Königshauses, und auch gegen dieses, scheinen schier kein Ende zu haben, was sich sogar – an dieser Stelle eine kleine Vorwarnung – bis zum tatsächlichen Ende der Serie hinzieht, die bedauernswerterweise nach der vierten Staffel mit einem offenen Schluss überraschend abgesetzt wurde. So wird man nun leider nicht mehr erfahren wie es mit der fiktiven britischen Königsfamilie weitergeht, die einem von Folge zu Folge mehr ans Herz wächst, doch es lohnt sich trotzdem in diese Märchenwelt ohne Happy End einzutauchen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

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