TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 24. Juli 2019

Netflix Dokumentation „Unser Planet“ Ein schmaler Grad zwischen faszinierender Schönheit und gnadenloser Grausamkeit


von Melena Nendel 
 
Du hast genug von unnötig aufgebauschten Dramen, ausgelutschten Lovestories und Action-Thrillern a la Liam Neeson?! Dann ist die am 5.4 erschienene Doku-Reihe „Unser Planet“ v, die vom mittlerweile 92-Jährigen Tierfilmer David Attenborough in Zusammenarbeit mit dem World Wildlife Fund produziert wurde, vielleicht etwa für dich. Über 4 Jahre drehten zahlreiche Teams in 50 Ländern und lieferten mittels neuester Technik, atemberaubende Einblicke in die verschiedensten Naturereignisse. Wenn du dir jetzt denkst „Unser Planet“ – das gab’s doch schonmal, dann liegst du nicht ganz falsch. Denn man könnte sagen, die neue Netflix-Naturdoku ist nur ein Abklatsch der bekannten BBC Dokumentationen namens „Planet Earth“ und Co., aber der wichtige Unterschied zu den „Unser Planet“ - Vorgängern ist, dass hier die Zerstörung der Erde durch den Menschen im Vordergrund steht und wie man handeln kann, um unsere Umwelt zu retten. Am Ende jeder Folge wird der Zuschauer aufgefordert die Website „ourplanet.com“ zu besuchen, um selbst aktiv werden zu können. Die  Produzenten hätten sich wohl keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um die Dokumentation auszustrahlen. Denn es scheint, als würde die Umwelt endlich immer mehr an Wichtigkeit gewinnen, vor allem auch in den jüngeren Generationen, wie man an den „Friday‘s For Future“ , sowie den kürzlichen EU-Wahlen, ganz gut sehen kann. 

In ganzen 8 Folgen wird man an die schönsten Orte der Welt geführt, so dass man kaum aus dem Staunen herauskommt. Auch wenn einige Szenen dem ein oder anderen Naturdoku–Liebhaber bekannt vorkommen werden. Aber seien wir mal ehrlich, wir sehen die stetig wandernde Gnu Herde, die, während sie durch die endlosen Weiten der Serengeti zieht, mit dem ein oder anderen hungrigen Löwen zu kämpfen hat, doch immer wieder gerne. Zwischen faszinierenden Naturspektakeln und Nahaufnahmen von den verschiedensten tierischen Bewohnern der Erde, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Ökosystem, so wie wir es kennen, nicht mehr lange existieren wird, wenn wir nichts an unserer Lebensweise ändern. Denn nicht nur der enorm hohe CO2 Ausstoß trägt zur Ausrottung sämtlicher Arten bei, auch die Abholzung der Regenwälder, die Luft – und Wasserverschmutzung, das Überfischen der Meere, die illegale Jagd und vieles mehr. Wobei aber meist nur relativ kurz auf das „Negative“ eingegangen wird, bevor Lösungsansätze geschildert werden oder zu einer „besonders seltenen“ Vogelart übergeleitet wird. Ein gutes Beispiel hierfür ist das  äußerst amüsant dargestellte Balzverhalten des „Blaubrustpipra“. Um das Weibchen seiner Wahl zu erobern, legt der Singvogel eine tagelang eingeübte Tanzeinlage ein – drei männliche Artgenossen stehen ihm währenddessen mit Rat und Tat zur Seite, da kann man nur hoffen, dass all die Mühen des quirligen Vogelmännchens nicht umsonst waren. Grund für die raren abschreckenden Szenen ist vermutlich, dass zu penetrantes Behandeln des Problems „Wir zerstören die Erde“, eine zu negative Wirkung auf den „Otto Normalverbraucher“ haben könnte. Da die Mehrheit der Menschen lieber Tierbabies anschmachtet, als verhungernde Eisbären in der, aufgrund der Erderwärmung, schmelzenden Antarktis. Obwohl die schönen und oftmals auch lustigen Aufnahmen zeitlich deutlich überwiegen, ist auch das Gegenteil ein Bestandteil der Dokumentation. Die mit Abstand schlimmste Szene zeigt tausende Walrosse, die sich jährlich vor der Küste Russlands tummeln. Sie sollten sich  eigentlich auf endlosem Eis ausruhen, stattdessen liegen sie zusammengepfercht auf engstem Raum – von den kilometerlangen Eisflächen ist nichts mehr übrig geblieben. Aufgrund ihrer misslichen Situation, suchen die verzweifelten Tiere auf den nahe gelegenen Steilklippen nach etwas Ruhe. Doch außerhalb ihres gewohnten Lebensraums, dem Wasser, sind sie nahezu blind. Sie stürzen sich, in der Annahme das Meer sei direkt vor ihnen, hunderte Meter in den Abgrund.       

Diese Szene schockt den Zuschauer und regt zum Nachdenken an. Auch aufgrund dieser Darstellung kann man der Dokumentation keine beschönigende Idealisierung vorwerfen, da neben wunderschönen Aufnahmen noch existierender, unberührter Natur, immer wieder auf die Problematik des Klimawandels aufmerksam gemacht wird. Trotz dieser und ähnlicher Aufnahmen versucht die Netflix-Doku durchgängig ein positives Gefühl beim Zuschauer zu erzeugen, meiner Meinung nach mit vollem Erfolg. Außerdem kommen auch alle Tierliebhaber auf ihre Kosten. Im Minutentakt werden die außergewöhnlichsten Arten vorgestellt und mit einer spielerischen und humorvollen Portion an Informationen, verpackt. Das einzige was man bemängeln könnte ist die teilweise belustigend, unpassende deutsche Übersetzung. Aber spätestens die beruhigende, tiefe Stimmfarbe des bekannten Synchronsprechers Christian Brückner, macht das ganze Wett, und zur Not schaut man sich die Dokumentation eben in der englischen Originalfassung an. Obwohl mich „Unser Planet“ wirklich überzeugt hat, blieb bei mir der „Binge – Watching“ Effekt auf der Strecke, was wahrscheinlich an dem fehlenden fesselnden Charakter liegt, den man sonst von allen Seiten des Film und Fernsehens gewohnt ist. Aber „das Gute Gewissen danach“ macht sich nach jeder Folge bemerkbar, da es einem hoffentlich nicht nur so vorkommt, als hätte man ˋwas gelernt.

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