von Melena Nendel
Du hast genug von unnötig aufgebauschten Dramen,
ausgelutschten Lovestories und Action-Thrillern a la Liam Neeson?! Dann ist die
am 5.4 erschienene Doku-Reihe „Unser Planet“ v, die vom
mittlerweile 92-Jährigen Tierfilmer David Attenborough in Zusammenarbeit mit
dem World Wildlife Fund produziert wurde, vielleicht etwa für dich. Über 4 Jahre drehten zahlreiche Teams
in 50 Ländern und lieferten mittels neuester Technik, atemberaubende Einblicke
in die verschiedensten Naturereignisse. Wenn du dir jetzt denkst „Unser Planet“
– das gab’s doch schonmal, dann liegst du nicht ganz falsch. Denn man könnte
sagen, die neue Netflix-Naturdoku ist nur ein Abklatsch der bekannten BBC Dokumentationen
namens „Planet Earth“ und Co., aber der wichtige Unterschied zu den „Unser
Planet“ - Vorgängern ist, dass hier die Zerstörung der Erde durch den Menschen
im Vordergrund steht und wie man handeln kann, um unsere Umwelt zu retten. Am
Ende jeder Folge wird der Zuschauer aufgefordert die Website „ourplanet.com“ zu
besuchen, um selbst aktiv werden zu können. Die Produzenten hätten sich wohl keinen besseren
Zeitpunkt aussuchen können, um die Dokumentation auszustrahlen. Denn es scheint,
als würde die Umwelt endlich immer mehr an Wichtigkeit gewinnen, vor allem auch
in den jüngeren Generationen, wie man an den „Friday‘s For Future“ , sowie den
kürzlichen EU-Wahlen, ganz gut sehen kann.
In ganzen 8 Folgen wird man an die schönsten Orte der
Welt geführt, so dass man kaum aus dem Staunen herauskommt. Auch wenn einige
Szenen dem ein oder anderen Naturdoku–Liebhaber bekannt vorkommen werden.
Aber seien wir mal ehrlich, wir sehen die stetig wandernde Gnu Herde, die, während
sie durch die endlosen Weiten der Serengeti zieht, mit dem ein oder anderen
hungrigen Löwen zu kämpfen hat, doch immer wieder gerne. Zwischen
faszinierenden Naturspektakeln und Nahaufnahmen von den verschiedensten
tierischen Bewohnern der Erde, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das
Ökosystem, so wie wir es kennen, nicht mehr lange existieren wird, wenn wir
nichts an unserer Lebensweise ändern. Denn nicht nur der enorm hohe CO2 Ausstoß
trägt zur Ausrottung sämtlicher Arten bei, auch die Abholzung der Regenwälder,
die Luft – und Wasserverschmutzung, das Überfischen der Meere, die illegale
Jagd und vieles mehr. Wobei aber meist nur relativ kurz auf das „Negative“
eingegangen wird, bevor Lösungsansätze geschildert werden oder zu einer „besonders seltenen“ Vogelart übergeleitet
wird. Ein gutes Beispiel hierfür ist das äußerst amüsant dargestellte Balzverhalten des
„Blaubrustpipra“. Um das Weibchen seiner Wahl zu erobern, legt der Singvogel eine
tagelang eingeübte Tanzeinlage ein – drei männliche Artgenossen stehen ihm
währenddessen mit Rat und Tat zur Seite, da kann man nur hoffen, dass all die Mühen
des quirligen Vogelmännchens nicht umsonst waren. Grund für die raren
abschreckenden Szenen ist vermutlich, dass zu penetrantes Behandeln des
Problems „Wir zerstören die Erde“, eine zu negative Wirkung auf den „Otto
Normalverbraucher“ haben könnte. Da die Mehrheit der Menschen lieber Tierbabies
anschmachtet, als verhungernde Eisbären in der, aufgrund der Erderwärmung, schmelzenden
Antarktis. Obwohl die schönen und oftmals auch lustigen Aufnahmen zeitlich
deutlich überwiegen, ist auch das Gegenteil ein Bestandteil der Dokumentation. Die
mit Abstand schlimmste Szene zeigt tausende Walrosse, die sich jährlich vor
der Küste Russlands tummeln. Sie sollten sich eigentlich auf endlosem Eis ausruhen,
stattdessen liegen sie zusammengepfercht auf engstem Raum – von den
kilometerlangen Eisflächen ist nichts mehr übrig geblieben. Aufgrund ihrer
misslichen Situation, suchen die verzweifelten Tiere auf den nahe gelegenen
Steilklippen nach etwas Ruhe. Doch außerhalb ihres gewohnten Lebensraums, dem
Wasser, sind sie nahezu blind. Sie stürzen sich, in der Annahme das Meer sei
direkt vor ihnen, hunderte Meter in den Abgrund.
Diese Szene schockt den Zuschauer und regt zum
Nachdenken an. Auch aufgrund dieser Darstellung kann man der Dokumentation
keine beschönigende Idealisierung vorwerfen, da neben wunderschönen Aufnahmen
noch existierender, unberührter Natur, immer wieder auf die Problematik des
Klimawandels aufmerksam gemacht wird. Trotz dieser und ähnlicher Aufnahmen
versucht die Netflix-Doku durchgängig ein positives Gefühl beim Zuschauer zu
erzeugen, meiner Meinung nach mit vollem Erfolg. Außerdem kommen auch alle
Tierliebhaber auf ihre Kosten. Im Minutentakt werden die außergewöhnlichsten
Arten vorgestellt und mit einer spielerischen und humorvollen Portion an
Informationen, verpackt. Das einzige was man bemängeln könnte ist die teilweise
belustigend, unpassende deutsche Übersetzung. Aber spätestens die beruhigende,
tiefe Stimmfarbe des bekannten Synchronsprechers Christian Brückner, macht das
ganze Wett, und zur Not schaut man sich die Dokumentation eben in der
englischen Originalfassung an. Obwohl mich „Unser Planet“ wirklich überzeugt
hat, blieb bei mir der „Binge – Watching“ Effekt auf der Strecke, was
wahrscheinlich an dem fehlenden fesselnden Charakter liegt, den man sonst von
allen Seiten des Film und Fernsehens gewohnt ist. Aber „das Gute Gewissen
danach“ macht sich nach jeder Folge bemerkbar, da es einem hoffentlich nicht
nur so vorkommt, als hätte man ˋwas gelernt.
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