von Herbert Schwaab
Die Ermordung von Walter Lübke durch einen Rechtsextremen ist Anlass für eine Hart aber Fair Sendung, die schon vorab heftig diskutiert wurde. Der Grund ist die Einladung des AfD Politikers Uwe Junge aus Rheinland Pfalz und die Ansicht, Politikern aus der AfD kein Forum geben zu dürfen. Die Sendung wurde auch nach ihrer Ausstrahlung heftig kritisiert: Arno Frank wirft Plassberg in Spiegel Online vor, mit Uwe Junge gekuschelt zu haben. Tatsächlich reicht es einem der anderen Gäste an einer Stelle: Das ist mir jetzt zu kuschelig. Und er stellt klar: Hass ist ihre Geschäftsgrundlage. Der Gast, der dies äußert, ist Mehmet Daimagüler, ein Anwalt, der Opfer bei dem NSU-Prozess vertreten hat. Er äußert nicht nur diese Sätze, sondern viele weitere, die das Publikum in dieser eher unaufgeregten Sendung dazu bringen, zu klatschen. Er weist darauf hin, wie gefährlich das Leben der Menschen geworden ist, die sich in diesem Land engagieren und beschwört die Gefahr herauf, dass sich bald niemand mehr aus Angst ehrenamtlich engagieren wird. „Dann kann unsere Demokratie einpacken:“ Das Publikum klatscht. Er beendet eine längere Auseinandersetzung mit der AfD und ihren vielen netten Äußerungen auf Twitter und Facebook: „Das ist nicht bürgerlich, das ist nicht konservativ. Das ist schäbig“. Das Publikum klatscht. Er weist am Ende der Sendung darauf hin, dass Polizisten nicht nur in ihrer Ausbildung politische Bildung bekommen sollten: Eine demokratische Polizei kostet Geld, aber das sollte uns das wert sein. Das Publikum klatscht schon wieder.
Auch Georg Mascolo, Journalist und Extremismusexperte, bekommt Beifall, als er den AfD-Politiker ins Gewissen redet und der AfD zugesteht, eine rechte Partei sein zu dürfen, aber dann dürfe sie auch nicht immer, wenn sie auf Fundstücke von Hetze im Netz von einem der vielen AfD Politiker und Politikerinnen angesprochen werde, ihre Entschuldigungen und Erklärungen mit einem „Ja, aber….“ einleiten.
Es fallen solche wichtigen Sätze in der Sendung. Tatsächlich wird aber auch in dieser Sendung Uwe Junge viel Raum gegeben. Zu viel Raum, wie die Kritik meint. Junge ist der Einäugige unter dem blinden und kalkulierten Hass vieler AfD-Angehöriger, ein relativ ziviler Politiker, der aber dennoch mit einem Post aufgefallen ist, von dem er sich auch in der Sendung nicht distanzieren mag: Alle Unterstützer der Willkommenskultur (also Menschen, die ehrenamtlich mitarbeiten, um Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland zu integrieren) würden einmal zur Rechenschaft gezogen werden. Plassberg weist in einem seiner intelligenteren Beiträge darauf hin, dass dies Gedanken an ein Standgericht evoziere. Dennoch kann sich Junge in der Sendung äußern, kann sich von den schlimmeren AfD Politikern und Politikerinnen distanzieren (wir nehmen es ihm sogar ein bisschen ab), und offenbart genau damit die Muster einer Politik einer steten Veränderung unserer Sprache und Mentalität, die die AfD zum Killer des guten politischen Klimas schlechthin gemacht hat.
Die Kritik an Plassberg ist hart, aber ist sie auch fäir? Ich bin kein Freund von Plassberg, weil ich schon zu viele Talkshowdesaster von ihm bei Themen, die mir am Herzen liegen, gesehen habe. Berühmt sind seine Sendungen zum Gendern, seine populistische Kritik an dem Versuch, mit der Sprache auch unsere Einstellungen gegenüber geschlechtlichen Unterschieden zu verändern. Weil Plassberg gerne so tun will, als würde er einen gesunden Menschenverstand vertreten (er ist nicht so gesund, sondern meist kurzatmig und asthmatisch) hat er es geschafft, dieses Thema gleich zweimal zu versemmeln: Einmal in einer Sendung mit unmöglichen Gästen und unmöglicher Diskussionsführung, die moderate Vertreter des Genderns trotz ihrer guten Argumente in die Ecke drängt, dann in einer als Entschuldigung gedachten Wiederholung dieser Sendung mit denselben Gästen und demselben Ergebnis.
Auch in dieser Sendung ging es darum, was aus Sprache werden kann. Es wird daher lange ein AfD Post diskutiert, der vier Jahre lang im Netz war, der als Aufforderung zur Ermordung von Walter Lübke gedeutet werden kann, und der noch Wochen nach der Tat nur gelöscht wurde, weil der Spiegel bei der AfD interveniert hat. Plassberg tut sich auch in dieser Sendung schwer, Kritik prägnant zu formulieren oder ein Gespür dafür zu entwickeln, wann er unterbrechen kann und wann nicht. Tatsächlich unterbricht er ausgerechnet die Grünen-Politikerin und ehemalige Kriminalbeamtin Irene Mihalic bei einer ihrer wenigen Diskussionsbeiträge und lässt stattdessen Junge weitersprechen. Das ist instinktlos, kommt aber bei Plassberg und vielen anderen Talkshows immer wieder vor - bei Plassberg vor allem deswegen, weil er glaubt, einem Skript folgen zu müssen und seine ganzen Einspieler einspielen zu können, was für die Diskussion oft kontraproduktiv ist.
In der Kritik an der Sendung wurde oft angesprochen, dass in dieser Sendung nicht stärker Junges Äußerungen widersprochen wurde, etwa, wenn er behauptet, dass Lübkes Sätze schon sehr hart waren. Lübke hat übrigens die Äußerungen nur deswegen so getätigt, weil sich eine Horde von Neonazis damals in die Diskussionsveranstaltung eingeschlichen und konsequent das Bürgertreffen mit Pöbeleien gestört hatte. Die Gelegenheit, noch einmal zu betonen, in welchem Kontext gesagt wurde, was Lübke später das Leben gekostet hat und Junge auf etwas Aufmerksam zu machen, was er sowieso schon weiß, aber ignoriert, ergreift die Sendung nicht. Und viele weitere, einfache Möglichkeiten, Junges Widersprüche deutlich werden zu lassen, werden nicht ergriffen.
Aber ich will die Sendung und Plassberg dennoch nicht so scharf kritisieren.. Es ist in Ordnung, den Versuch zu ermöglichen, mit AfD Menschen zu diskutieren. Es gelingt halt nicht oft, was aber nicht nur die Schuld derer ist, die mit ihnen zu diskutieren versuchen. In einer etwas länger zurückliegenden Sendung, in der sich Plassberg eher zurückgenommen hatte und tatsächlich sehr pointiert an den richtigen Stellen die richtigen Einwendungen gebracht hat, gelang es, den AfD Politiker Guido Reul, der lange in der SPD engagiert war, so mit Fakten und Argumenten zu begegnen, dass er auch eine gewisse Unsicherheit offenbarte, in der richtigen Partei zu sein. Er ist es natürlich nicht, sondern eine traurige, verletzte, komplizierte Seele, die sich komplett verrannt hat, aber das noch nicht zugeben kann.
Auch in dieser Sendung finden wir Studiogäste, die sich emsig darum bemühen, in Junge nicht nur den Politiker einer menschenfeindlichen Partei zu sehen, sondern auch einen Menschen, mit dem sie diskutieren wollen und dem sie versuchen ins Gewissen zu reden, etwas zu bemüht und nicht überzeugend genug, aber sie versuchen es. Plassberg ist da keine Hilfe, aber eine Sendung wie Hart aber Fair kann auch nicht viel mehr tun, als einen Raum zu schaffen, in dem sich Menschen begegnen und miteinander sprechen und vielleicht sogar streiten und dabei sogar Argumente vorbringen. Das passiert nicht oft, häufig treffen verfestigte Diskursmuster und Diskursmaschinen aufeinander, die nicht ins Gespräch kommen. Aber die Kritik, die in den Medien an der Sendung geäußert wird, ist auch etwas schematisch und übertrieben.
Das Fernsehen wird als ein kulturelles Forum bezeichnet, dass Probleme artikuliert und sichtbar macht und die Gesellschaft und was sie beschäftigt wiederspiegelt, aber sie ist kein Medium, dass wirklich Dinge zu Ende diskutiert und klare Einstellungen offenbart. Plassberg ist ein Meister darin, eher diffuse Einstellungen sichtbar werden zu lassen, keine wirkliche Diskussion zu ermöglichen, eher ein rituelles Treffen immer wiederkehrender Politiker und wenigen Politikerinnen zu organisieren, die deswegen so häufig wiederkehren, weil diese Sendungen zu wenig risikobereit sind. Die Gäste stören Plassberg eher dabei, seine geliebten, faktencheckenden Einspieler zu zeigen.
Aber dennoch mag ich solche Sendungen nicht missen und bin demütig dankbar, wenn sie es einem Menschen wie Mehment Daimagüler die Gelegenheit geben, klare und konstruktive Gedanken zu formulieren. Das weckt Emotionen in mir, gute Emotionen und keinen Hass. Dann erfüllt das Fernsehen trotz allem doch auch den Zweck, uns zu guten Staatsbürgern zu machen oder und gute Staatsbürger bleiben zu lassen.
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