TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 22. Februar 2011

Kult am Sonntagabend: Der Tatort

von Franziska Sachs

Es gibt genau eine Zeit in der Woche, in der ich meine Eltern nie anrufen würde: Sonntagabend zwischen 20:15 und 21:45. Ja, sie sind Teil der Millionen von Fans der beliebtesten deutschen Krimi-Reihe, der „Tatort“ hat eindeutig Kultstatus. Das sonntägliche Tatort-Schauen ist seit Jahren ein Ritual, an dem auch ich lange Zeit teilgenommen habe. Inzwischen bin ich nur noch unregelmäßiger Zuschauer, aber heute werde ich dem Tatort mal wieder eine Chance geben!

Leider muss sich der Tatort-Fan diese Woche mal wieder mit einer Wiederholung zufrieden geben. So wird es ihm allerdings in nächster Zeit noch öfter gehen, die ARD füllt üblicherweise im Sommerloch auch den Hauptsendeplatz des Tatorts mit alten Folgen - seit der ersten von 1970 wurden immerhin gut 770 Episoden gedreht. Auch die Tatsache, dass fast täglich ein Tatort ausgestrahlt wird, spricht für sich, denn das kann wohl kaum ein anderes Format seiner Art von sich behaupten. Das besondere am Tatort im Gegensatz zu anderen Krimiserien ist zunächst, dass es sich nicht um eine Serie im eigentlichen Sinne handelt. Es ist eher eine Reihe, innerhalb derer es aber wiederum verschiedene „Serien“ aus 88-minütigen Filmen gibt, die jeweils von den einzelnen Rundfunkanstalten der ARD produziert werden. Jede dieser Serien ist an eine bestimmte Stadt gekoppelt und hat in der Regel ein festes Personal aus Kommissaren, Staatsanwälten oder Gerichtsmedizinern. Dieser Bezug zu einer bestimmten Stadt oder Gegend, aber auch die unterschiedlichen Hauptcharaktere sind neben den zu lösenden Kriminalfällen, die selbstverständlich nach wie vor die wichtigste Rolle spielen sollen, wichtige Bestandteile des Tatort-Erfolgsrezeptes.


So sollte wohl auch die Formel für den heutigen Tatort „Schwarzes Grab“, eine Produktion des SR aus dem Jahre 2008, lauten. Es geht also ins Saarland diese Woche, wo der Kriminalhauptkommissar und Bayer Franz Kappl erst seit relativ kurzer Zeit als neuer Chef der Kripo Saarbrücken arbeitet. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hat er sich in dem etwas gewöhnungsbedürftigen saarländischen Team eingelebt und steht nun vor seinem fünften Fall, der ihn im wahrsten Sinne des Wortes in die Tiefen seiner neuen Heimat führen wird. „Schwarzes Grab“ spielt in einer der Bergarbeitersiedlungen des Saarlands. Damit thematisiert der Tatort wie sooft ein aktuelles bzw. regionalspezifisches Thema - die Schließung von Bergwerken und die dadurch bedingte Perspektivlosigkeit vieler Arbeiter. Zu Beginn des Filmes steht der Mord an Wiebke Steinmetz, Frau eines Bergarbeiters. Um ihren Mann zu benachrichtigen, muss sich der junge Kommissar unter Tage begeben, wo zu diesem Zeitpunkt eine Feier zur Schließung des Bergwerkes stattfindet. Und leider verliert die Handlung schon an diesem Punkt irgendwie ihren Realitätsbezug, an dem der Tatort sonst so hängt. Kurz nach Kappls Ankunft im Schacht stürzt auf einmal durch eine Sprengung ein Schacht ein, es gibt eine kurze Massenpanik und schließlich sitzt die gesamte Festgesellschaft fest. Zudem wird einer der Ehrengäste, der die Schließung des Bergwerkes mit zu verantworten hat, ermordet aufgefunden. So muss sich Kappl, während seine Kollegen oben dem Hauptverdächtigen im Mord an Wiebke Steinmetz hinterherjagen, und er mit den Strapazen der Unterwelt zu kämpfen hat, auch noch mit einem weiteren Mordfall herumschlagen. Die ganze Situation gerät außer Kontrolle, es wird wild verdächtigt und die „Kumpel“ verfallen schon noch kürzester Zeit einem Gruppenkoller, der durch die eher mittelmäßige Leistung der Nebendarsteller nicht gerade an Glaubwürdigkeit gewinnt. So zieht sich der die Zeit bis zur Befreiung und der Lösung beider Mordfälle recht lange hin, während der erfahrene Tatort-Zuschauer den Täter schon längst erkannt hat. Im Gegensatz zu seinen Schwächen stechen in „Schwarzes Grab“ aber besonders die Bilder, Einstellungen und Kamerafahrten positiv hervor. Immer wieder werden beeindruckende Aufnahmen, vor allem Außenaufnahmen des Bergwerks und der tristen Umgebung, gezeigt.
Trotzdem hat mich der heutige Tatort nicht wieder zum Fan werden lassen. Die Qualität des Tatorts kann leider allzu oft nicht mehr mit dem Kult um ihn mithalten. Aber zum Glück kommt ja spätestens heute Abend der Nächste, um mich wieder vom Gegenteil zu überzeugen!

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